Thema: Die ersten Briefmarken von 1840 bis 1899
umdhlebe Am: 17.03.2019 16:59:27 Gelesen: 34130# 39@  
Hallo,

einen weiteren kuriosen Beitrag kann ich aus dem südlichen Afrika beisteuern:

Ab dem 1. Mai 1870 gab es an den Postschaltern der Südafrikanischen Republik ("Zuid Afrikaanse Republiek", ZAR) eigene Marken. In Katalogen findet man diese Postverwaltung meist unter dem britischen Begriff "Transvaal" irgendwo bei "Südafrika" untergeordnet, aber so hieß das Gebiet erst unter britischer Verwaltung von 1877 bis 1882 und dann wieder ab 1902.

Kurios ist nun, dass die ersten Marken aus Güstrow in Mecklenburg-Schwerin kommen, vom technisch guten, aber nicht ganz ehrlichen Adolph Otto. Denn die ZAR war 1852 von den "Vortrekkern" gegründet worden, die sich der Herrschaft der britischen Kolonialmacht entziehen wollten. Deswegen kam die - ansonsten übliche - Order von Marken aus England nicht in Frage. Der erste Postmaster-General der Republik, Friedrich Jeppe, war 1861 aus Güstrow eingewandert - und so kam Adolph Otto zu seinem Auftrag.

Es gab drei Werte: 1 Pence braunkarmin, 4 Pence ultramarin, und 1 Shilling dunkelgrün. Entweder geschnitten oder gestochen 15 1/2 : 16. Alle anderen Farben, Papiere und Zähnungen sind von späteren Drucken oder falsch (der Michel-Katalog ist hier leider verwirrend).

Philatelistisch ist das sehr wichtig, denn die ZAR war finanziell klamm, und daher autorisierte Jeppe den Verkauf eines Teils der ersten Lieferung - 4800 Exemplare zu 1 Pence, 800 zu 6d und 400 zu 1 Shilling - an Händler in Europa, bevor die Marken überhaupt an den Schalter kamen. Das heißt, diese Marken sind zwar echt, aber nie auf dem afrikanischen Kontinent zur Frankatur eingesetzt worden. Alle Stempel sind natürlich falsch. Wie viele Marken insgesamt - mitsamt Druckplatten, gummiertem Papier, Farben und Roulette - nach Pretoria gingen, ist nicht ganz geklärt.

Kompliziert wird die Angelegenheit nun, weil Jeppe seinen Auftragnehmer Otto auf eine Idee gebracht hatte: Warum nicht mit einer neuen Druckplatte noch mehr herstellen? Und so begann er weiterzudrucken und die Marken, teilweise auch in Phantasiefarben oder sogar zweifarbig, unter die Sammler zu bringen. Dabei half ihm zeitweise der Händler Julius Goldner aus Hamburg. Der Philatelist John Luff hat sich 1913 die Mühe gemacht, die verschiedenen Platten dieser unautorisierten Nachdrucke zu identifizieren. Der Michel-Katalog verzeichnet hier "Neudrucke" mit Falschstempeln, was meiner Ansicht nach nicht richtig ist, denn die autorisierten Druckplatten waren in Südafrika, und hier handelte es sich um andere, private Platten.

Wichtig ist dies, weil sehr, sehr viele in Europa befindliche Transvaal-Marken zu diesen Nachdrucken (später gab es auch noch Fälschungen) gehören.

Man erkennt die echten Marken vor allem an zwei Kennzeichen. Im linken unteren Band berührt das "D" von "Eendracht" das Band, und im rechten unteren Band berührt das Flaggenmast den Schild nicht. Aus unerfindlichen Gründen listet der Michel-Katalog auch in der Auflage 2018/19 diese Kennzeichen nicht. Hier eine echte Marke, allerdings von einem späteren Druck aus dem Jahre 1875.


Die Formulierung "aus einem späteren Druck" verweist auf die Karriere der nach Südafrika gesendeten Druckplatten, die zunächst zum Finanzminister Viljoen gingen, der zwar ehrlich war, aber kein Drucker und bis Juli 1870 meist zu viel Tinte verwendete. Er gab den Job und die Platten daher ab September 1870 nach Potchefstroom an Herrn Borrius ab. Der war tatsächlich Drucker, wie auch die Firma Davis & Son in Pietermaritzburg, die den Job im September 1874 übernahm, bevor er zurück in die Hauptstadt delegiert wurde, ab dem 29 April 1875 an Herrn Cilliers im Auftrag einer staatlichen Kommission. Die Karriere der Platten setzte sich noch bis 1885 fort - unterbrochen von neuen, legitimierten Lieferungen von Adolph Otto.

Für die Erstausgabe bedeutet dies, dass sich der Begriff nur auf die qualitativ hochwertigen Otto-Drucke bezieht, die nur zum Teil in der ZAR an den Schalter kamen. Alle späteren echten Drucke sind schlechterer Qualität wegen unprofessioneller Drucker oder abgenutzter Platten.

Alle unautorisierten Nachdrucke erkennt man daran, dass das "D" das Band nicht berührt, dafür aber der Flaggenmast den Schild. Hier eine ganze Reihe von Beispielen dafür:



Diese Ausführlichkeit habe ich mir erlaubt, weil die meisten der Marken, die ich in Europa sehe, unautorisierte Nachdrucke oder Fälschungen sind. Ich habe schon einmal eine "Transvaal"-Kollektion in einem deutschen Auktionshaus gesehen, die für einen vierstelligen Ausrufpreis ausschließlich private Nachdrucke anbot.

Die Eendracht-D und Flaggenmast-Regel gilt übrigens nicht für den späteren 3 Pence-Wert, bei dem der Adler angelegte Flügel hat. Aber auch davon gibt es Fälschungen.

Gruß
umdhlebe
 
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