Thema: Deutsches Reich: Halbierungen
mumpipuck Am: 22.03.2019 00:01:31 Gelesen: 6007# 16@  
Heute möchte ich hier einen interessanten Beleg zeigen, den ich mit einem kleinen Belegeposten und einer Restsammlung vor „dem Ofen“ gerettet habe. Ich weiß natürlich, dass Halbierungen mit großer Vorsicht zu genießen sind, halte diesen Beleg aber aus zahlreichen Gründen für echt.



Geschichtlicher Hintergrund:

Vom 24.07. - 03.08.1943 zerstörten britische und amerikanische Bomber in der „Operation Gomorrha“ ganze Stadtteile Hamburgs. Ca. 40.000 Menschen sterben bei dieser Katastrophe, ca. 750.000 werden obdachlos.

Zum Beleg:

- Der Beleg trägt eine waagerecht halbierte 6 Pf. Dauerserienmarke Adolf Hitler, die das Drucksachenporto von 3 Pf. abdeckt.
- Handschriftlich datiert 13.08.43.
- Poststellenstempel der Poststelle II aus dem Börnsener Ortsteil Neu-Börnsen als Entwerter benutzt (Ortsbrief).

Warum halte ich den Beleg für echt ?

- Der Stempel ist mir als Heimatsammler bekannt und ich besitze zeitnahes Vergleichsmaterial. Stempelabnutzung und -farbe sind zeitgerecht.
- Der Beleg trägt den Briefstempel des Bürgermeisters und seine Originalunterschrift.
- Die Sendung ging „an alle Bewohner und Siedler“. Es handelt sich sozusagen um eine „Wurfsendung an alle Haushalte“, was auch die Adresse aus dem Setzkasten nahelegt. Börnsen hatte 1939 ca. 1.200 Einwohner. Sicher waren viele Fremdarbeiter (es gab ein Barackenlager in Börnsen)und Flüchtlinge aus Hamburg hinzugekommen (s.u.).
- Der Beleg trägt das handschriftliche Datum 13.08.1943. Er lädt zu einem Termin am 14.08.(1943). Folglich mussten Hunderte von Belegen am selben Tag erstellt und zugestellt werden. Da ist es recht wahrscheinlich, dass die kleine Poststelle nicht ausreichend der auf dem Land sicher nicht so gebräuchlichen 3 Pf.-Marken hatte. So kurzfristig konnten sie eventuell auch nicht beschafft werden.
- Gegen die eigentlich vorgeschriebene Barfreimachung könnte der Zeitfaktor sprechen, wenn kein geeigneter Stempel vorhanden war. Offensichtlich gab es ja noch nicht einmal einen Datumstempel. Hunderte von handschriftlichern Vermerken hätten wohl länger gedauert, als die Halbierungen. Vielleicht war die Vorschrift auch gar nicht bekannt.
- Es könnte die Frage aufkommen, warum nicht die größere Poststelle I in Börnsen die Belege bearbeitet hat. Möglicherweise haben beide Poststellen solche Belege bearbeitet, jeweils für den betreffenden Ortsteil. Vielleicht findet sich noch einmal einer von Börnsen.
- Aus dem Inhalt geht hervor, dass umfassend erhoben werden sollte, wie viele Menschen in der Gemeinde untergekommen waren. Diese mussten versorgt werden. Ich vermute mit Lebensmittelmarken und dann natürlich auch mit Lebensmitteln. Das Datum 13.08.1943 liegt eine Woche nach dem Ende der Aktion Gomorrha, was die chaotische Eile erklärt. Vermutlich war eine große Anzahl von Menschen aus Hamburg in Börnsen, die keine Lebensmittel hatten.
- Der Großvater des Börnseners, von dem ich den Beleg habe, ist selbst in diesem Zusammenhang aus Hamburg-Altona nach Neu-Börnsen gekommen. Das untermauert auch die These, dass die Neu-Börnsener diese Sendung von der Poststelle des Ortsteils erhielten.

Nun würden mich Meinungen und Ergänzungen aus dem Forum interessieren. Wie könnte man einen solchen Beleg wohl bewerten ?

Kann eventuell jemand vergleichbare Belege aus dem August 1943 aus anderen Gemeinden rund um Hamburg zeigen. Der Flüchtlingsstrom hat ja das gesamte Umland betroffen.

Burkhard
 
Quelle: www.philaseiten.de
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