Thema: Der Baden Fehldruck
Hornblower Am: 03.04.2019 11:10:45 Gelesen: 16129# 13@  
Für denjenigen, den es interessiert, hier die Geschichte des Einzelexemplares des Fehldrucks. Sie kann - bebildert - in der Festschrift der ArGe Baden zu deren 75. Geburtstag nachgelesen werden.

Der Baden-Fehldruck aus dem Jahr 1851 tauchte erstmals im Januar 1894, also fast 43 Jahre nach seiner Ausgabe, auf.

Der damals renommierteste deutsche Philatelist Carl Lindenberg (1850-1928), Präsident des Berliner Philatelisten-Klubs von 1888 und Kurator der Markensammlung des Reichspostmuseums, beschrieb die Entdeckung in seinem 1894 erschienen Standardwerk „Die Briefmarken von Baden“ auf S. 31 wie folgt:

„Es ist hier gleich der Ort, von einem Fehldruck zu sprechen. Vor wenigen Wochen übersandte mir ein Herr in angesehener socialer Stellung, der sich nur ganz oberflächlich mit dem Briefmarkensammeln befasst, eine 9 Kr.-Marke, die nicht rosa war, sondern die bläulich-grüne Farbe der 6 Kr.-Marken trug. Der Herr bemerkte, dass er von einem Händler, dem er die Marke vorgelegt habe, der Fälschung verdächtigt sei, dass die Marke aber unmöglich falsch sein könne, da sie mit einer großen Menge grüner 6 Kr.-Marken direkt aus alten Briefschaften ausgeschnitten sei. Die Marke befand sich nur noch auf einem knappen Briefstück und trug den auch auf das Papier gehenden, augenscheinlich echten Entwertungsstempel „2“ (Achern). Ich muss gestehen, dass ich auf das Höchste erstaunt war über diesen bisher ganz unbekannten Fehldruck. Noch mehr wuchs aber mein Erstaunen, als wenige Tage darauf Herr Freiherr von Türckheim im Berliner Philatelisten-Klub eine derartige grüne 9 Kr.-Marke auf ganzem Brief vorlegte, mit dem Bemerken, dass er noch ein zweites Stück besitze, das er mir am folgenden Tage ebenfalls übergab. … Aktenmäßig ist über diesen Fehldruck nichts bekannt.“

Soweit Carl Lindenberg, der schon damals über das Zustandekommen des Fehldrucks spekulierte – eine Frage, die bis heute die Experten beschäftigt. Drei Theorien gibt es, für alle existieren durchaus nachvollziehbare Indizien, die aber ebenso nachvollziehbar von den Anhängern der jeweils anderen Theorie widerlegt werden:

1. Der Drucker habe aus Versehen ein falsches Blatt Papier bedruckt und dies ausgeliefert. Der Postbeamte habe aufgrund der Ähnlichkeit zwischen den Ziffern „6“ und „9“ nichts bemerkt und die Marken unerkannt verkauft.
2. In den Druckrahmen einer 6 Kr.-Marke sei versehentlich ein Klischee der 9 Kr. „hineingerutscht“ und niemand habe dies bemerkt.
3. Es handele sich nicht um reguläre Marken, sondern um versehentlich benutzte Probedrucke.

Es soll an dieser Stelle nicht das Für und Wider der einzelnen Positionen diskutiert werden, dies ist bereits in vielen Fachzeitschriften ausführlich – und ohne Einigung – geschehen und interessiert für diesen Beitrag nicht. Einer der beiden Briefe befindet sich heute im Museum für Kommunikation, der zweite, der im März 1985 auf einer Köhler-Auktion in Wiesbaden für die damalige Rekordsumme von 2,3 Mio. DM ersteigert wurde, war Bestandteil einer großen deutschen Privatsammlung und kommt jetzt bekanntlich wider auf den Markt.

Das Einzelexemplar war das Stück, das Lindenberg als erstes in der Hand hatte. Der „Herr in angesehener socialer Stellung“, der es ihm vorgelegt hatte, war Hans Freiherr von Türckheim zu Altdorf (1853-1920).

Sein gleichnamiger Vater (1814-1892), war seit 1864 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1883 badischer Gesandter in Berlin gewesen, im Jahr 1851 war er Legationsrat im Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten in Karlsruhe. Dort hat er die beiden Briefe von seinem Bruder Herrmann (1816-1894) erhalten, der als Verwalter des Familiengutes in Altdorf fungierte. Auch das in Achern abgestempelte Stück stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dieser Familienkorrespondenz.

Nachdem es Lindenberg vorgelegen hatte, erwarb es zunächst der Gießener Ingenieur Georg Koch (1852-1925), der 1897 mit dem Sammeln begonnen hatte und innerhalb von nur 10 Jahren eine der größten und wertvollsten Sammlungen der damaligen Zeit zusammentrug. 1903 stellte er seine Sammlung in Mühlhausen/Elsaß aus und zeigte das Stück erstmals der Öffentlichkeit. Bis zur SÜDWEST 2016 in Heidelberg war es zumindest in Deutschland im Gegensatz zu seinen beiden Pendants nicht mehr zu sehen.

1908 verkaufte Koch seine Sammlung „Deutschland und die Welt“ bei Gilbert & Köhler in Paris. Am Mittwoch, dem 25. November 1908 wurde das Stück mit der Los-Nr. 2689 aufgerufen und dem französischen Ingenieur, Automobilbauer und Rennfahrer Èmile Mors (1859-1952) für 198 £ zugeschlagen. Mors hatte schon 1896 eine Rote und eine Blaue Mauritius ersteigert und besaß ebenfalls eine große Sammlung, die nahezu alle Weltraritäten enthielt.

Schon im April 1919 versteigerte jedoch Gerard Gilbert (1879-1944), der sich mittlerweile von seinem Partner Heinrich Köhler (1889-1945) getrennt hatte, in Paris das Stück erneut.

Bei 15.500 Francs fiel der Hammer und der neue Besitzer hieß Theodore Champion (1873-1954), der berühmte französische Händler und Philatelist. Bis zu seinem Tod blieb das Stück in Paris.

Heute befindet sich der Baden-Fehldruck in der Sammlung eines der bedeutendsten Philatelisten der Welt in Großbritannien und konnte erstmals nach 113 Jahren wieder in Heidelberg bewundert werden.

Gruß
Michael Ullrich
 
Quelle: www.philaseiten.de
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