Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 21.04.2019 08:22:03 Gelesen: 244675# 403@  
Liebe Freunde,

Portochargébriefe sind Geister, die Insider kennen, sonst aber hat sie keiner, hat sie keiner gesehen und haben tut man sie auch nicht. Aber es gibt sie! Nachdem ich einige davon zusammentragen konnte (innerbayerisch und im Postverein bzw. den Vertragsstaaten), gelang es mir heuer erstmals, einen Retour - Portochargébrief zu schnappen, auch wenn der Preis für ihn üppig war, aber bekanntlich ist die Erinnerung an das ausgegebene Geld schneller verschwunden, als die Freude, die man mit dem Stück hat, von daher ist alles gut.





Aufgegeben wurde er in Thalmässing am 27.4.1864, also genau 1,5 Monate nach dem Tode seiner Majestät Maximilians II am 10.3.1864, weshalb sich der Trauerrand und das schwarze Siegel, wie wir später sehen werden, erklären wird.

Gerichtet war er an Jakob Bauer aus Wettstetten, ca. 40 km südlich von Thalmässing und etwas nördlich von Ingolstadt gelegen. Der Absender wollte weder die Postgebühr, noch die Recommandation bezahlen und überließ folglich beides dem Empfänger. Daher notierte die Aufgabepost 6 / 6 für 6 Kreuzer Porto bis 12 Meilen und 6 Kreuzer ihr zustehende Recogebühr.

Damals hatte Wettstetten nur ca. 500 Einwohner, daher war die Post nicht sicher, wo es genau liegen würde und man notierte unter den Zielort Kipfenberg, strich dies dann aber und verblieb beim richtigen Ingolstadt. Ausweislich der Siegelseite war er am 28.4. in Ingolstadt und am Folgetag in ??heim.

Doch konnte die Zustellung und Berichtigung des 12 Kreuzer Portos nicht bewirkt werden, wie man aus der Notiz hinten ersehen kann: "Jakob Bauer seit drei Jahren tod, von dessen Verwandten nicht angenommen, Präßer, Postbote".

Warum niemand der "Relikten" den Brief annehmen wolte, geht wohl aus dem Inhalt hervor, den aber nur der Absender kannte: "Jakob Bauer von Wettstetten schuldet zur unterfertigten Rentenverwaltung Lehenbodenzins pro 1862 41 Kreuzer 3 Pfennige, Lehenbodenzins pro 1863 41 Kreuzer 3 Pfennige, in Summa 1 Gulden 23 Kreuzer 2 Pfennige.

Derselbe wird deshalb beauftragt, diesen Betrag innerhalb längstens 8 Tagen bei Vermeidung der gerichtlichen Einklagung portofrei anher zu senden.
Bemerkt wird hiebei, daß dem Geld nach für Porto u. Scheingebühr 9 Kreuzer, und als Austragergebühren für den Postboten 3 Kreuzer, sohin in Summa 12 Kreuzer, beizulegen sind.

Syburg, am 22. April 1864 Die freiherrlich Schenk v. Geyerische Rentenverwaltung - Schenk.

Fassen wir also zusammen: Portochargébrief, retourniert, Empfänger verstorben, Relikte nicht annahmewillig, Chargéstempel in schwarz, statt roter Farbe, Probleme mit der Findung des Zielortes, Trauerrand wegen kurz zuvor verstorbenem König und innen eine Postgebührenauflistung, die man auch nicht jeden Tag findet. Ich finde, viel mehr geht kaum noch, oder?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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