Thema: Recht: Die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO - erste Ergebnisse aus Vereinen
Erdinger Am: 26.04.2019 10:59:32 Gelesen: 4781# 17@  
@ bovi11 [#16]

Das Ganze zeigt eher auf, dass sich die Abgeordneten niemals eingehend mit der Thematik beschäftigt und gar nicht überrissen haben, was es damit auf sich hat. Auch hier in Bayern geht den Regierungsparteien (die in so gut wie jedem Verein vertreten sind) langsam auf, dass man sich beim Durchwinken im Bundestag ein Ei gelegt hat, das man nicht wie gewohnt einfach der "Verbotspartei" der Grünen in die Schuhe schieben kann. Auch hierzulande ist das Zurückdrehen des Rades daher ein Thema.

Mich ärgert etwas Grundsätzliches, das ich auch in unserem letzten ArGe-Rundbrief thematisiert habe:

Augsburger Tagblatt, 26. Februar 1857, über die Öffentliche Sitzung des Polizeisenats am Kreis- und Stadtgericht: »Hr. Martin Schneider wird zu 24 Stunden Arrest verurtheilt, weil er eine entwerthete Briefmarke nochmals benützte.« Kaum zu glauben, welcher Aufwand damals offenbar betrieben wurde, um jemanden wegen Wiederverwendung einer Marke dingfest zu machen und zu bestrafen. Hinter diesen Zeitungsberichten steht jedoch eine beruhigende juristische Gewissheit: Dem Schuldigen musste seine Schuld nachgewiesen werden.

Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen heiterer Stimmung vom Vereinsabend nach Hause – da rempelt einer Sie an. Sie drehen sich noch um – der andere verschwindet im Dunkeln. Sie wenden sich zum Gehen und plötzlich kommt es Ihnen: Der hat mich beklaut. Tatsächlich, Brieftasche oder Portemonnaie ist weg. Sie gehen zur Polizei, um den Fall anzuzeigen. Nach den üblichen Protokollfragen werden Sie jetzt nicht etwa nach dem Täter befragt. Wachtmeister*in an der Computertastatur setzt vielmehr eine strenge Miene auf: »Können Sie denn dokumentieren, dass Sie alles getan haben, um nicht bestohlen zu werden?«

Sie finden das absurd? Die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) verpflichtet den Vorstand Ihrer Arbeitsgemeinschaft nicht nur, Sie, unsere Mitglieder, zu informieren, was wir mit Ihren Daten machen, und das zu dokumentieren. Das kann man verstehen und unterstützen. Sie verpflichtet uns auch, intern zu dokumentieren, wer was macht. Das ist bürokratisch und lästig, aber machbar. Wir müssen auch dokumentieren, welche Vorkehrungen wir treffen, damit Ihre Daten nicht geklaut werden können wie eine Brieftasche. Auch das wäre alles noch zu begreifen, ginge das nicht mit weit reichenden Strafandrohungen einher – für eine wohlgemerkt ehrenamtliche Tätigkeit.

Bedenklich ist an dieser Dokumentiererei nicht allein die Beweislastumkehr. Anstelle eines kraftstrotzenden Recken in schimmernder Wehr, der die wenigen großen Datenkraken und echten Datendiebe couragiert anpackt und seine Bürger vor ihnen schützt, stellt der Gesetzgeber nämlich einen Popanz mit bürokratischen Blähungen auf, der sich hasenfüßig hinter der vorauseilenden Kriminalisierung von allem und jedem verstecken muss. Mit anderen Worten: Der heutigen Staatsgewalt fehlt es an dem, worüber sie in dem eingangs geschilderten Beispiel noch im Übermaß verfügte: Zutrauen in die eigenen Mittel. Das ist beschämend und beängstigend. Ebensogut könnte man alle Äpfel dazu verdonnern, dass sie keine Würmer bekommen, anstatt die schlechten Exemplare aus der Ernte auszusortieren.

Viele Grüße aus Erding!
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/11732
https://www.philaseiten.de/beitrag/202144