Thema: Poste restante in der Klassik
briefmarkenwirbler24 Am: 05.06.2019 18:28:27 Gelesen: 21387# 37@  
Hallo zusammen,

ich habe diesen Beleg zwar schon an anderer Stelle vorgestellt, aber hier macht er sich auch ganz gut: :)

Aufgegeben wurde der Ganzsachenumschlag am 30.07.1867 in Hannover und wurde adressiert an einen Anwalt in Zürich. Darüber hinaus vermerkte man auf dem Beleg "poste restante", also postlagernd.

Der Brief kam bereits einen Tag später (31.07., 10 Uhr morgens) in Zürich an, wurde jedoch sofort darauf (01.08., 8:30 Uhr) wieder retourniert (siehe vorderseitiger Zürich Stempel), weil der Ganzsachenumschlag unzureichend frankiert wurde. Die Adresse strich man durch und ersetzte "Zürich" wieder durch "Hannover", wo er ebenfalls einen Tag später wieder ankam.

Nun zur Taxierung:

Es handelt sich hierbei um eine Unterfrankatur, da der GU mit dem Wertstempel von 3 Silbergroschen bloß den Postvereinsanteil abdeckte, also bis zur schweizerischen Grenze. Zürich lag im 1. Rayon, sodass der Beleg um 1 Sgr unterfrankiert wurde.

Wir sehen auf der Briefvorderseite zwei Notierungen, zum einen eine "0" in Bläuel und zum anderen eine "10" in Rötel. Normalerweise wäre es wie folgt abgelaufen:

Baden hätte 1 Sgr. als Weiterfranko erhalten, die mit der Schweiz wiederum an der Grenze 3 Kreuzer abgerechnet hätten. 3 Kreuzer entsprachen 10 Rappen, die der Schweiz im Normalfall zugestanden hätten. Doch hier lief alles anders, aufgrund der Unterfrankatur notierte man eine "0", denn Hannover/Preussen bzw. Baden konnten aus diesem Grund genau "0" Weiterfranko an die Schweiz abgeben, so dass der Brief zurecht mit 10 Rappen Nachporto taxiert wurde.

Wenn der Brief tatsächlich unmittelbar nach der Ankunft in Zürich wieder retourniert wurde, muss vom Empfänger eine schriftliche Note der Post vorgelegen haben, wonach für ihn eingehende Poststücke, auch poste restante gestellte, unmittelbar nach Hannover zurückgeschickt werden sollten.

Doch die eigentlich Besonderheit lag darin, dass die Schweiz natürlich einen Anspruch auf 10 Rappen bzw. 3 Kreuzer bzw. 1 Silbergroschen hatte. Allerdings strich sie die 10 Rappen selbst durch (Rötel hatte damals keiner mehr der anderen, involvierten Postgebiete), sodass sie freiwillig auf ihren Anteil verzichtete, was gerade bei der einkommensorientierten Schweiz nicht häufig gewesen ist. Höchstwahrscheinlich wollte man aber einen Gebührendschungel vermeiden und verzichtete demnach lieber auf die 10 Rappen.

Des weiteren musste die Schweiz diesen Retourbrief auch wieder über Baden zurückschicken (und nicht über Württemberg oder gar Bayern), wie es theoretisch auch möglich war, weil sonst die "Bücher" nicht gestimmt hätten.

Nun noch eine Info zu dem blauen Stempel von Hannover:

Im Jahr 1866 erklärte Preußen im Rahmen des Deutschen Krieges Hannover den Krieg und zwang es zur Kapitulation von Langensalza. Am 20.09.1866 wurde Hannover von Preußen formal in Besitz genommen und somit preußische Provinz, die neue Verfassung wurde dann am 01.10.1867 eingeführt.

Zum 01.10.1866 wurden auch preußische Briefmarken eingeführt, die hannoverschen Marken zum 01.11.1866 außer Kurs gesetzt und die hannoversche Post zum 01.01.1867 in die preußische Postverwaltung eingegliedert. Nach Übernahme der Postanstalten stempelten diese bis zum Aufbrauch nur noch mit blauer Farbe.

Ich schaue mir den Beleg immer wieder gerne an, weil es ihn in der Form nur ganz selten geben wird.

Liebe Grüße

Kevin


 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/10344
https://www.philaseiten.de/beitrag/204936