Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 18.06.2019 15:51:20 Gelesen: 237619# 432@  
@ Stamps99 [#431]

Hallo Ralf,

da zeigst du 2 tolle Briefe, die jeder, der Ahnung hat, auch gerne in seiner Sammlung hätte.

Das Problem mit verschiedenen Währungen kannte nur Thurn und Taxis. Der Stammsitz von TT war Regensburg, die postalische Verwaltung war in Frankfurt am Main, so dass wir es hier mit einer Lehenspost zu tun hatten, die generell in rheinischen Kreuzern (rh. Kr.) taxierte und intern auch verrechnete.

Die Aufgabepost im DÖPV hatte die Pflicht bei Portobriefen in der Währung der Abgabepost zu taxieren. Oft wussten die bayer. Postler aber gar nicht, ob eine Zielpost im Kreuzer-, oder im Groschengebiet ansässig war und in aller Regel folgte diesem Unwissen die Taxierung in rh. Kr., weil es auch so für Bayern (und Baden und Württemberg) am einfachsten war.

Die Abgabepost (hier: TT) musste aber immer in gangbarer Währung kassieren, jedoch entsprach die postalische Reduktion nicht der paritätischen (also tatsächlichen) Reduktion der Währungen, denn hinter ihnen standen andere Systeme, Wirtschaften usw..

Postalisch waren 3 Kr. immer 1 Silbergroschen (Sgr.), 6 Kr. also 2 Sgr., 9 Kr. also 3 Sgr. und 12 Kr. also 4 Sgr..

Paritätisch jedoch war 1 Sgr. = 3,5 Kr., 2 Sgr. also 7 Kr., 3 Sgr. also 10,5 Kr. und 4 Sgr. also 14 Kr., wie du schon völlig korrekt bemerkt hast.

Im Postverein galten die postalischen Verrechnungen, was sich ja von selbst versteht, weil niemand gerne in Brüchen und krummen Zahlen rechnete.

Bei beiden Briefe rechnete die bayer. Aufgabepost mit 9 Kreuzern, die aber nur 2 1/2 Sgr. entsprochen hätten, wenn man paritätisch rechnete. TT wollte aber bei Briefen ins Groschengebiet natürlich 3 Sgr. haben und nicht weniger! Hier wurden also 3 Sgr. Porto in 10 1/2 Kreuzer paritätisch reduziert, Bayern aber mit 9 Kr. abgefunden, was ein schöner Gewinn war.

Der Brief aus Lohr hätte wegen einer Entfernung zu Neustadt an der Orla von 174 km tatsächlich ein Porto von 3 + 1 = 4 Sgr. erfordert. Da aber im DÖPV die Abgabepost nur dann ein notiertes Porto korrigieren durfte, wenn eine bedeutende Fehltaxierung vorlag (Beispiel: Statt 45 Kr. für einen schweren Brief nur 1 Kr. für eine leichte Drucksache frankiert), und diese Fehltaxierung war nicht bedeutend, beließ sie es bei der zu geringen Taxe und kassierte von ihrem Postkunden (Empfänger) weniger, als es richtig gewesen wäre, wohl auch deshalb, weil ja Bayern das Porto zustand und TT nur viel Arbeit und Ärger gehabt hätte, sonst nichts.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
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