Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 29.06.2019 07:25:28 Gelesen: 237278# 436@  
Liebe Freunde,

Erklärungen zu Briefen finden sich in der Regel nur dann, wenn Marke, oder zumindest Stempel vorhanden sind. Fehlen aber beide, wird es mit einer Erklärung eher schwierig, weil die Kataloge über dergleichen Briefe keine Aussagen machen und man auf eigene Erfahrungen bzw. Sekundärliteratur angewiesen ist, so diese einem zugänglich wäre.



In genau diese Spalte fällt dieser Brief, der ebenso unscheinbar, wie interessant ist, weil er sich hinsichtlich seiner Optik und seines Nicht - Zeigens von Marke(n) und Stempel(n) von 99,9999% aller Briefe unterscheidet.

Doch lesen wir zuerst die Adresse: An den loebl(ichen) Magistrat der K(öniglich) B(ayerischen) Stadt Nürnberg durch Herrn Großhändler Roscher

Da schickte also jemand einen Brief an einer Stadt(verwaltung) und verfügte unten links, wer den Brief zu übergeben habe. Damit war klar, dass die bayerische Post hier nicht tätig werden sollte, sondern ein Privater. Es war also nach üblicher Lesart ein Brief durch Vermittlung eines Dritten und üblicherweise wurden solche Briefe mit dem Vermerk "Durch Güte" versehen, weil sich ein "Gütiger" gefunden hatte, den Transport bzw. die Zustellung eines fremden Briefes zu bewirken.

Doch traf mich fast der Schlag, als ich ihn öffnete.

Regensburg, den 2.1.1845 (also noch keine Marken) Inserationsnote für den loeblichen Magistrat der Stadt Nürnberg über:
1 Bekanntmachung No 295 - 40 Kreuzer (x)
dieselbe No 296 - 40 x
dieselbe No 297 - 40 x
dieselbe No 298 - 40 x
dieselbe No 299 - 40 x
dieselbe No 300 - 40 x
.........................

4 Gulden
Getreidetransport betreffend
Hochachtungsvoll Die Expedition des Regensburger Tagblatts

Den Empfand obiger 4 Gulden bescheint Ergebenst Rütmayr

Außerdem wurde für den Brief Stempelpapier i. H. v. 3 Kreuzern benutzt, so dass wir hier ein amtliches Schreiben zugrunde legen müssen.

Es stellt sich die Frage, warum eine Zeitungsredaktion für die Bekanntmachung von 6 Insertionen (Anzeigen, "Einrückungen auch genannt) nicht einfach die Post bemühte, sondern einen Privaten engagierte, der von Regensburg aus nach Nürnberg im Jahr 1845 gefahren sein muss, um diese Note der Stadtverwaltung Nürnberg anzudienen.

Aber das ist das Interessante an Bayern bzw. ganz Altdeutschland, von dem die Altvorderen mir schon vor über 40 Jahren unisono sagten, dass längst alles erforscht ist und man sich als junger Mensch besser interessanteren Sammelgebieten zuwenden sollte, als dem Altpapier, das schon längst keine Neuigkeiten mehr bieten könne, ja das langweilig und ausgereizt sei.

Gut, dass ich damals nicht auf diese Altvorderen gehört habe, wie wohl ich das sonst im Leben oft tat, denn auch 2019 sehe ich zumindest jeden Monat etwas Neues und es ist nicht absehbar, dass bzw. wann sich das einmal ändern sollte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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