Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 27.07.2019 10:03:02 Gelesen: 238162# 448@  
Liebe Freunde,

zu den großen Mysterien der bayerischen Postgeschichte gehörten die portopflichtigen Partei - Sachen, die zwar unfrankiert aufgegeben werden konnten, aber auch in diesem Fall keinen Portozuschlag ab 1868 erhalten durften.

Demnach sollten sie unfrankiert am Ort 1 oder 2 Kreuzer kosten und im Fernverkehr 3 oder 7 Kreuzer, je nachdem, ob sie bis 1 Loth oder über 1 - 15 Loth wogen. Keine Vorschrift ist in Bayern häufiger mißachtet worden, als diese.







Ein Schreiben des kgl. Marktes Neukirchen beim heiligen Blut an das Bürgermeisteramt der Gemeine Lambsheim (Pfalz) vom 18.11.1870 (Kriegszeit) war in jeder Beziehung mustergültig auf seinen Weg gebracht worden und der Vermerk "P.S. Porto jenseits", also Partei - Sache von Lambsheim, dort das Porto einfordern, war eindeutig. Der Auftraggeber saß also in der Pfalz und wünschte eine Maßnahme zwischen bei bayerischen Behörden, für die er zu zahlen hatte. War er wohlsituiert, konnte man das nach Erledigung mit ihm abrechnen, war er das nicht, musste er, ehe die Behörden loslegten, ein Depositum in Lambsheim abliefern, aus dem man sich bei Kosten, Gebühren usw. bediente.

Der über 1 Loth schwere Brief hätte also im Franko-, wie im Portofall wie hier nur 7 Kreuzer kosten dürfen - dennoch hat ihn die Aufgabepost mit 11 Kreuzer taxiert, als wäre es ein gewöhnlicher Brief und kein portomoderierte Dienstbrief.

Auch die Abgabepost (hinten kein Stempel) störte sich nicht an der Beugung der Vorschriften und kassierte satte 4 Kreuzer zuviel, die der Auftraggeber im Endeffekt bezahlen durfte.

Zum Inhalt:

"Das Verehelichungsgesuch des Josef Schab". Schab möchte seine Braut in Neukirchen b. h. B. als neue Heimat angeben, aber in der Pfalz heiraten. Der Magistrat möchte hierfür 20 Gulden von Schab haben, ehe man ihn dort einbürgert. Auch bedurfte es eines Zeugnisses, dass Schab seinen Militärdienst geleistet hatte - was Wunder in dieser Zeit, da sich vlt. der ein oder andere gerne mal davor drücken wollte, war doch schon der Friedensdient beim Militär kein Fingerschlecken und ab Sommer 1870 kam ja noch der Krieg hinzu.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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