Thema: (?) (97) Privatpost bis 1900
Christian Am: 29.10.2009 22:24:24 Gelesen: 137591# 1@  
Hallo zusammen.

Seit langem wieder mal ein Markenthema von meiner Seite, da, je länger ich mich mit diesem Gebiet beschäftige, die Faszination für selbiges steigt. Wie immer an dieser Stelle möchte ich versuchen, eine kurzen geschichtlichen Abriss zu geben.

In dem Zeitraum von 1886 bis 1900 gab es in 170 deutschen Städten mehr als 250 Privatpostanstalten. Am 31.3.1900 fand diese Epoche der deutschen Postgeschichte durch die Schaffung des Postmonopols des deutschen Reiches ein erzwungenes Ende.

Das Vorwort von Horst Müller zum Michel Privatpostmarkenkatalog bietet eine gute Zusammenfassung zur Geschichte der Privatpost im deutschen Reich:

„Die gesetzliche Zulassung der Privatpostanstalten war eine Folge des Krieges Preußen gegen Österreich von 1866. Nach dem Sieg konnte sich Preußen verschiedene deutsche Staaten einverleiben: Das Königreich Hannover, die Herzogtümer Schleswig und Holstein, das Herzogtum Nassau, das Kurfürstentum Hessen-Kassel, die Freie Stadt Frankfurt am Main und schließlich die Posthoheit der Fürsten von Thurn und Taxis, zwar ohne eigenen Staat, aber mit zahlreichen Niederlassungen, wie z. B. das Oberpostamt in Frankfurt am Main. Andere deutsche Staaten, die zwar selbständig blieben, wurden von Preußen mit mehr oderweniger sanftem Nachdruck dazu angehalten, dem Norddeutschen Bund beizutreten und damit auf eigene Posthoheiten zu verzichten. Ein neues Postgesetz wurde erforderlich, das für alle deutschen Staaten verbindlich war.
Bei den Beratungen für dieses Postgesetz wurde schon damals gefordert, staatliche Postmonopole fallen zu lassen. Das Postgesetz des Norddeutschen Bundes vom 2. November sah schließlich als Vergleich im § 1 vor:

Die Beförderung

1) aller versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Briefe,
2) aller Zeitungen politischen Inhalts, welche öfter als einmal wöchentlich erscheinen,

gegen Bezahlung von Orten mit einer Postanstalt nach anderen Orten mit einer Postanstalt des In- oder Auslandes auf andere Weise, als durch die Post, ist verboten.

Erlaubt war somit ohne Einschränkung jegliche Privatbeförderung innerhalb der Ortsgrenzen, nach außerhalb unterlagen nur verschlossene Briefe dem staatlichen Monopol. Diese Bestimmungen wurden unverändert in das Reichspostgesetz vom 28. 10. 1871 übernommen.“

Die erste Privatpost, die dieses Gesetz für sich in Anspruch nahm, war die Brief- und Druckschriften Expedition von J. J. Schreiber in Berlin — Mai 1873 bis August 1874. Schreiber scheiterte an der damals herrschenden Wirtschaftskrise. Erst 10 Jahre später hatte sich die Wirtschaft so weit erholt, daß gute Erfolgsaussichten für Privatposten bestanden, das zeigen dann auch die zahlreichen Gründungen von Briefbeförderungsanstalten im Jahre 1886. Wenige unseriöse Einrichtungen der ersten Zeit waren dann Grund genug für die Reichspost, heftige, diskriminierende Kampagnen gegen alle Privatposten einzuleiten, gipfelnd schließlich in der Verleumdung, diese hätten ihre Existenz nur einer Lücke im Postgesetz zu verdanken.

Nach langem zähen Ringen u. a. mit dem Reichstag gelang es der Reichspost schließlich mit Gesetz vom 20. 12. 1899 jede private Briefbeförderung mit Wirkung ab 1. 4.1900 verbieten zu lassen. Dieses Gesetz regelte u. a. genau die zu leistenden Entschädigungen: Für die Unternehmer nach tatsächlichem Schaden und entgangenem Gewinn, für die Boten nach Dauer ihrer Beschäftigung und Höhe des Einkommens, sofern sie nicht in den Reichspostdienst übernommen wurden. Boten, die seit 1886 bei der Privatpost tätig waren, kamen so auf eine Abfindung von mehr als 3 Jahresgehältern.

Die damals noch bestehenden drei deutschen Postverwaltungen hatten an Entschädigungen für Unternehmer und nicht übernommene Boten folgende Gesamtzahlungen geleistet (gerundete Beträge):

Deutsche Reichspost 7.450.000 Mark
Kgl. Bayerische Post 440.000 Mark
Kgl. Württembergische Post 320.000 Mark
zusammen ca. 8.200.000 Mark

Außerdem wurden ca. 740 Boten in den Dienst der Reichspost übernommen.

Zum Vergleich: Gut 30 Jahre früher erhielt der Fürst von Thurn und Taxis von Preußen den Betrag von 3.000.000 Thalern (nach der Währungsumstellung im Deutschen Reich vom 1. 1. 1875 wurden aus 1 Thaler = 3 Mark.)

Für die Postkunden wurde am 1. April 1900, dem Tag, an dem das Verbot der Privatposten wirksam wurde, der Tarif für Ortspostkarten von 5 auf 2 Pfennig gesenkt (nicht jedoch für Briefe usw.). Dafür erschienen die Marke MiNr. 52 und die Postkarte P44 des Deutschen Reichs. Als diese Portoermäßigung am 1. Juli 1906 zurückgenommen wurde, entstanden neue Privatpostanstalten, die auf verschiedenste Weise versuchten, die Bestimmungen des erweiterten Postgesetzes zu umgehen. Diese Anstalten, die nur zum geringen Teil Freimarken herausgaben, sind meist nach kurzer Zeit wieder geschlossen worden oft nach verlorenen Prozessen, die die Reichspost angestrengt hatte. „


So und jetzt die Bitte an alle Formusmitglieder sich rege an diesem Thema zu beteiligen.

Herzliche Grüße

Christian
 
Quelle: www.philaseiten.de
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