Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 09.09.2019 09:27:58 Gelesen: 234761# 460@  
Liebe Freunde,



heute entzückt uns ein Brief vom 29.11.1857 aus dem lieblichen Oberstaufen an "Seiner Wohlgeboren Herrn Hartmann Friedrich von Sebastian Amman in Ermatingen bey Konstanz". Der Vertrag zwischen Bayern und der Schweiz sah die Möglichkeit des Grenzrayons vor, in dem Briefe nur 3 Kreuzer kosteten, wenn Aufgabe- und Abgabepost nicht weiter als 5 Meilen (37,5 km) voneinander entfernt lagen. 3 Kreuzer wurden zwar frankiert, aber bei einer Strecke von 71 km (also 9 Meilen) schied die Portomoderation als Grenzrayonsbrief leider aus.

Alternativ konnte man im Postverein bis 10 Meilen, wie hier, mit 3 Kreuzern frankieren und der Absender schrieb vlt. in der Hoffnung "bey Konstanz", weil er dachte, dass das badische Konstanz noch in diesem Entfernungsraster läge - da hatte er zwar Recht, aber die Aufgabepost wußte, dass der Ort eben nicht badisch und damit vereinsländisch, sondern in der Schweiz im Kanton Appenzell lag und daher die 10 Meilen - Regelung nicht griff.

Ab dem 1.7.1856 aber war das Abrechnungsverfahren zwischen den AD - Staaten und der Schweiz kundenfreundlicher geworden, da man ab diesem Tag die verklebte Frankatur auch bei unterfrankierten Briefen anerkannte und vom Gesamtporto in Abzug brachte. Zuvor waren Marken auf unterfrankierten Briefen in beiden Richtungen wertmäßig verfallen.

Bayern akzeptierte also die 3 Kreuzer für sich bis Lindau/Romanshorn und notierte unter dem Bruchstrich, sinnbildlich für die Grenze, eine schwarze 3 für 3 fehlende Kreuzer. Die Schweiz, für ihren Pragmatismus auch heute noch bekannt, strich diese erst gar nicht ab bei der Reduktion in die heimische Währung, sondern notierte nur richtig "10" in roter Tinte für 10 Rappen, die ein Laie als alles lesen könnte, nur halt keine 10, aber so schrieb man halt in Romanshorn, als der Brief mit dem Dampfer von Lindau im Bodensee kommend die Poststücke anlandete.

Es ging im Einzeltransit über Frauenfeld (30.11.) nach Ermatingen, wo er noch am selben Tag ankam und kostenpflichtig ausgeliefert wurde.

Oft taucht bei dergleichen Briefen die Frage auf, warum man nicht über württembergisches und badische Gebiet leiten wollte - die Antwort ist die, dass Bayern (wie jede andere Postverwaltung auch) Auslandsbriefe schnell los werden wollte und schneller, als über den Bodensee, ging es nicht. Darüber hinaus kenne ich einige Beschwerden von Reisenden um diese Zeit, die die Reise um den nördlichen Bodensee (deutscher Teil) als sehr beschwerlich ansahen, die Reise um die Schweizerstrecke aber als bekömmlich einschätzten. Aber das wird im Denken von Postverwaltungen keine Priorität genossen haben ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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