Thema: Grobsendungsstempel zur Entwertung von Frankatur
Postgeschichte Am: 06.11.2009 21:21:41 Gelesen: 60433# 23@  
@ Harald Zierock [#22]

Hallo Harald,

Du zeigst in Beitrag [#27] eine Einzelmarke, fragst nach dem Stempel und erhältst zahlreiche Antworten. Warum Dir diese nicht gefallen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Eine genaue Bezeichnung für die Entwertung kann man aber ohne die Unterlage, von der diese Marke entnommen wurde, nicht treffen. Lars hat Dir in Beitrag [#15] schon einige Beispiele aufgezeigt, die man sicher noch ergänzen könnte, aber ich finde sie schon ausreichend.

Welcher Stempel befindet sich denn auf der Marke? Für mich ist es so ein einzeiliger Ortsstempel, wie er in jeder Firma und jeder Dienststelle in Zwickau verwendet worden sein dürfte, um Formulare, Schriftstücke usw. damit zu bedrucken. Solche Ortsstempel wurden auch von Dienststellen der Reichsbahn und der Reichspost zur Abstempelung von eben diesen Formularen (Schreiben, Postkarten, u.ä.) verwendet.

Die von mir angesprochenen Ortsstempel können aus verschiedenen Anlässen zur Entwertung von Briefmarken verwandt worden sein.

Hier einige Beispiele:

1. Zur Entwertung von sogenannter "Feldpostpäckchen" während des 1. Weltkrieges. Hier wurde erstmals der Begriff "Päckchen" (Briefe über 50 g bis 550 g) verwendet. Um die Versendung kleiner Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände an die Angehörigen des Feldheeres zu ermöglichen, später auch in die andere Richtung, wurde die Versendung von Feldpostbriefen (Päckchen) vom 5.-11.10.1914 erstmals zugelassen. Die Briefe waren mit dem Ortstagesstempel abzustempeln. Da diese "Päckchen" aber oft uneben waren, sodaß die Marken handschriftlich (durchstreichen o.Ä.) oder mit einem Stempel einzeiliger Ortsstempel, irgendwelchen Buchstaben oder Zeichen. Diese Stempel könnte man als Päckchenstempel bezeichnen. Hierunter fielen also alle ein- oder mehrzeilige Ortsstempel und Stumme Stempel. Beispiele habe ich schon in Beitrag [#11] gezeigt.



2. Waren normale Tagesstempel nicht vorhanden (Belege zeigen dies), wurden auch einzeilige Ortsstempel zur Entwertung verwendet.



Karte der Preußisch-Hessische Staatseisenbahnen von Norheim, mit Entwertung der 7 1/2 Pf. mittels einzeiligem Ortsstempel (Karte wurde am 20.8.1918 geschrieben)

3. Einzeilige Ortsstempel wurden während des 1. Weltkrieges vornehmlich im Elsaß zur Entwertung und als Zensurstempel verwendet.



Brief von Mülhausen (Elsaß) nach Nürnberg. Frankatur von 10 Pf mit einzeiligem Ortsstempel von Mülhausen (Els.)

4. Entwertungen aus der Inflazeit mit dem Ortsstempel auf Bankbriefen, Wertbriefen u.ä., sowie Massenentwertungen. Beispiele sind unter diesem Thema schon einige gezeigt worden.

Ich habe mich jetzt nur mal auf diese 3 Beispiele aus der Zeit des 1. Weltkrieges und der Inflation beschränkt, die aber noch ausgedehnt werden könnten.

Welcher Entwertungsgrund bei Einzelmarken vorliegt, ist ohne die dazugehörende Grundlage nicht zu erklären und fällt unter die Rubrik "Hellseherei". Bei der von Dir gezeigten Marke dürfte es sich um mein Beispiel 4 handeln, Entwertung aus der Inflazeit. Doch zu welcher Sendungsart? Der Begriff Grobsendungsstempel wurde m.E. von Sammlern der Inflationsmarken geprägt und könnte für Deine Marke zutreffen, sicher ist es aber nicht.

Fragen zu Entwertungen mit einzeiliger Ortsangabe werden im Forum sehr schnell als "Grobsendungsstempel" bezeichnet, obwohl dieser Begriff nur für einen Teil der Abstempelungsmöglichkeiten zutrifft und man dies für Einzelmarken ohnehin nicht nachweisen kann. Die Entwertungen in meinen Beispielen 1 bis 3 treffen auf die Bezeichnung Grobsendungsstempel nicht zu. Bei meinen Beispielen bin ich noch nicht auf die Abstempelungen von Telegrammen mit den einzeiligen Ortsstempeln eingegangen.



Wer will denn bei den Einzelmarken bestimmen, für welche Versendungsart diese Frankatur verwendet wurde? Nur weil ein einzeiliger Stempel vorliegt? Bei den hier gezeigten Marken mit Abstempelungen von Warschau weiß ich, daß sie für die Abstempelungen von Telegrammen verwendet wurden. Hierfür den Begriff "Grobsendungsstempel" zu verwenden ist genau so falsch, wie in den von mir aufgeführten Beispielen 1 bis 3.

Ich würde die o.a. Stempel und hierzu zähle ich die ein- oder mehrzeiligen Ortsstempel, sowie die stummen Stempel (z.T. auch Korkstempel genannt) als

BEHELFSSTEMPEL bzw. BEHELFSENTWERTUNG

bezeichnen. Dieser Begriff trifft auf alle von mir beispielhaft genannten Fälle, sowie auch auf die angesprochenen Paketstempel und Abstempelung aus der Inflationszeit zu.

Du kannst ja gerne mal Deinen Sammlerfreund zu meinen Ausführungen befragen. Ich erwarte nicht, daß er seine Meinung ändert, aber vielleicht sieht er es ja genau so wie ich.

Gruß
Manfred
 
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