Thema: Pin Group: Wie geht's dem Post Konkurrenten ?
Richard Am: 15.12.2007 21:13:35 Gelesen: 81361# 13@  
Am Ende steht der gesetzliche Mindestlohn

Von Lothar Späth

Handelsblatt (05.12.07) - Mit der beschlossenen Einführung des staatlich geschützten Mindestlohns für Briefträger ist die Endrunde in der Tarifautonomie des Niedriglohnbereichs eingeläutet. Und das ist erst der Anfang. Dabei passt die Einmischung der Politik in die Tarifautonomie so gar nicht in unser Wirtschaftssystem.

Offenbar wurde der Druck für die Union zu groß, sich weiter gegen etwas zu wehren, was große Teile der Bevölkerung als menschlich und gerecht empfinden: den Post-Mindestlohn. Die SPD hat hier ein emotionales Thema gefunden, mit dem sie sich von der Union abgrenzen und gleichzeitig der Partei ihres Abtrünnigen, Oskar Lafontaine, Wind aus den Segeln nehmen will.

Die CDU wiederum will natürlich nicht als Verhinderer von Solidarität wahrgenommen werden. Jetzt gibt es wieder einmal nur Gewinner, und alle freuen sich über den gefundenen Kompromiss. Parteitaktisch ist das alles nachvollziehbar. Doch die Freude wird nicht lange anhalten. Denn nicht alles, worauf man sich einigt, bringt unsere Gesellschaft voran.

Die neue Regelung wird uns jedenfalls kein Glück bringen – weder unserem Land noch unserer Wirtschaft und selbst den direkt Beglückten, sprich den heute z.T. schlechter entlohnten Briefträgern, nicht. Hier täuschen sich all diejenigen, die glauben, auf diese einfache Art und Weise käme es zu mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Mit der beschlossenen Einführung des staatlich geschützten Mindestlohns für Briefträger ist die Endrunde in der Tarifautonomie des Niedriglohnbereichs eingeläutet. Der Post-Mindestlohn soll nach der freimütig erklärten Vorstellung der SPD erst der Anfang sein. Und selbst in der CDU, die sich damit in etwas hat hineinziehen lassen, was sie aus gutem Grunde eigentlich strikt abgelehnt hatte, gibt es mittlerweile namhafte Vertreter, die darin nicht nur ein leidiges Opfer sehen, sondern die vermeintlich gute Sache aktiv unterstützen.

In den öffentlichen Verlautbarungen von Kurt Beck (SPD) bis Christian Wulff (CDU) ist bereits von weiteren Branchen wie dem Bewachungs- oder dem Fleischereigewerbe die Rede. Und von der Bundesregierung wurden schon die Branchenverbände aufgerufen, gegebenenfalls einen Antrag für einen allgemein verbindlichen Mindestlohn ihrer Gilde zu stellen. Die Politik hat sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Tarifverhandlungen, die jahrzehntelang für alle Regierungsparteien tabu waren, auf ihren Tisch gezogen.

Wenn sich zukünftig irgendwelche Tarifpartner nicht einigen können, wird der politische Druck das Übrige tun. So wird sich ein Mindestlohn an den anderen reihen. Und es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, dass dann schnell die Frage auftauchen wird, warum der eine Mindestlohn niedriger sein sollte als der andere, warum es überhaupt niedrigere Löhne geben sollte. Schließlich lauten die Argumente der Mindestlohn-Protagonisten, dass jemand, der den ganzen Tag arbeitet, nicht auf soziale Zusatzleistungen angewiesen sein darf. Wenn man also auf diese, vom tatsächlichen Arbeitsmarkt abgehobene Weise für eine so genannte Bedarfsgerechtigkeit sorgen will, kann man nicht nach Branchen differenzieren. Das Leben ist doch für alle Arbeitnehmer gleich teuer.

Am Ende wird also folgerichtig ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn stehen – ob man ihn nun so nennt oder nicht. Wir erinnern uns, dass die Union und mit ihr sämtliche Wirtschaftsexperten in diesem Zusammenhang einst davor gewarnt hatten, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, der sich nicht wenigstens in seiner Höhe an den Schwächsten orientiert. Ist er nämlich zu hoch, vernichtet man im großen Stil Arbeitsplätze bei Geringqualifizierten. Und das war eigentlich das Letzte, was die Große Koalition wollte.

Noch vor wenigen Wochen stritt man sich deshalb bei diesem Thema darüber, ob etwa 7,50 Euro nicht schon zu hoch angesetzt wären. Jetzt sind sich plötzlich alle einig, dass im Falle von Briefträgern, deren Anforderungsprofil als eher niedrig gilt, man sich nach dem bestbezahlenden Unternehmen, nämlich der Post, richten müsse, und hält satte 9,80 Euro für angemessen.

Für die privaten Zustellunternehmen, die mit 7,50 Euro noch hätten leben können, bedeutet dieser wettbewerbsfeindliche Eingriff in die Tarifautonomie eine Lohnkostenerhöhung von bis zu 30 Prozent. Zum Vergleich: Das entspricht der sensationellen Anfangsforderung der GDL, mit dem Unterschied, dass dies für Herrn Schell und seine Lokführer nur eine erste Verhandlungsbasis war.

Man tut die Klagen der betroffenen Unternehmer gerne als das übliche Gejammer ab. Doch jeder kann sich an drei Fingern abzählen, dass eine derartige Personalkostensteigerung in einem personalintensiven Gewerbe für manchen, der die Kosten nicht an seine Kunden weitergeben kann, das Aus bedeutet. Die Mindestlohnpolitik wird also zweierlei vorantreiben: erstens Preiserhöhungen in vielen Dienstleistungsbranchen und zweitens Konkurse und Entlassungen im Niedriglohnbereich. Sieht so der Kampf gegen relative Armut und Arbeitslosigkeit aus?

Die Deutschen sind großherzig und erklären sich schnell mit Belangen des sogenannten kleinen Mannes solidarisch. So beschwert sich etwa kaum ein Kunde über die Streiks der Lokführer, und so fühlt man auch mit gering verdienenden Briefträgern. Vergessen werden bei diesen ehrenwerten Solidaritätsgefühlen aber schnell die Zusammenhänge und sachlichen Zwänge, welche sich hinter der Problematik verbergen. Dieselben Kritiker, die heute noch nach einem kräftigen Mindestlohn rufen, werden sich schon morgen über Preissteigerungen und Arbeitslosigkeit entrüsten.

Eine derartige Einmischung in die Tarifautonomie passt genauso wenig in unser System wie zum Beispiel ein Preisstopp bei Lebensmitteln. Wir können uns nicht aus inkompatiblen Systemen nur die Rosinen herauspicken. Die Politiker sollten sich hüten, solche Geister zu rufen. Sie werden sie nicht mehr loswerden.

(Quelle: http://www.handelsblatt.com/News/Politik/Lothar-Spaeth-So-seh-ich-es/_pv/_p/204008/_t/ft/_b/1361978/default.aspx/am-ende-steht-der-gesetzliche-mindestlohn.html)
 
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