Thema: Niedergang der Philatelie – Symptom kulturellen Wandels
olli0816 Am: 24.11.2019 18:23:33 Gelesen: 3724# 7@  
Hallo zusammen,

wenn ich mich in meinem Freundeskreis umschaue (sind alle so zwischen 40 und 60), sind die wenigsten Mitglied in einem Verein. Bei mir selber ist nur noch der Alpenverein übrig geblieben. In meinen jungen Jahren war ich in mehreren Vereinen, da hatte ich noch viel mehr Zeit.

Ein sehr guter Studienfreund hat einen Sohn, der jetzt in die 1. Klasse gekommen ist. Er sagte, eigentlich sind sie gezwungen ihn da ganztägig unterzubringen, weil er ansonsten keine Spielkameraden hat. Die sind da auch den ganzen Tag untergebracht. Das gab es zu meiner Schulzeit zwar auch schon, aber die meisten sind nach der Schule heimgegangen und dann hat man sich getroffen. Wenn der Nachwuchs so verplant ist, wo sollen denn da die vielen Möglichkeiten für Vereine herkommen?

Die Jungen wachsen natürlich heute mit mehr technischem Zeug auf und nutzen diese Dinge ganz anders, als wie wir alte Knacker es tun. Trotzdem sammeln die auch ganz gerne. Pokémons oder irgendwelche Sachen, die man in Spielen sammeln kann. Da sie nicht mit Briefmarken in Verbindung kommen, die meisten nicht mal mehr Briefe schreiben und einige Diskussionen führen, ob man überhaupt noch E-Mail braucht ist es ganz klar, dass das Thema Briefmarken für viele nicht mal ins Bewusstsein kommt. Keine Berührungspunkte und ja, es kann so kommen wie bei den Telefonkarten. Wer sammelt die denn heute noch?

Allerdings ein immerwährendes Statement, was nicht nur von 22028 genannt wird, bereitet mir Bauchschmerzen:

Völlig richtig, aber das ist ja eines der Symptome des kulturellen Wandels. Mitgliedschaft in einem oder mehrerer Vereine (Nicht nur auf Sammler bezogen) eigentlich Usus. Aber durch den Wandel will sich heute niemand mehr binden, Bindung heißt auch Verantwortung übernehmen, auf irgendetwas festlegen für andere evtl. da sein, nicht nur virtuell im Internet in einem Forum, Egoismus kling zwar hart und ich möchte hier auch niemanden bezichtigen, umschreibt das aber oftmals schon sehr deutlich.

Das hört sich immer so nach vernachlässigter Ehefrau an: Nie, nie machst Du was ich sage. Ich meins nur gut mit dir, aber Du bist völlig verantwortungslos.... -> Tirade kann noch endlos weitergehen mit allen möglichen Vorwürfen.

Das ist so unsexy, dass man damit keinen jungen Menschen aktivieren kann. Jedes Hobby heute hat sehr viel mehr Konkurrenz und viele gute Argumente aus der Vergangenheit, warum Vereine sinnvoll sind haben sich heute überlebt. Der moderne Verein ist vordergründig tatsächlich bei jüngeren Menschen Gruppen in sozialen Medien oder Foren wie diese (die auch in dieser Erscheinungsform langsam veralten), wo jeder nach Lust, Laune und Zeit kommunizieren, Dinge verabreden und wenn es ein Outdoor-Hobby ist sich darüber verabredet wird.

Da braucht es keine monate- oder jahrelange Diskussion über eine Satzung, hohe Mitgliedsbeiträge oder irgendeine Fron, die in der Form in vielen Fragen auch gar nicht mehr notwendig ist.

Ich mache mich mit meinen Aussagen immer wieder unbeliebt, das weiß ich. Aber ganz brutal - auch wenn mich einige Leute für dieses Statement wieder etwas mehr hassen - braucht heute kein junger Mensch einen klassischen Briefmarkenverein mehr. Wenn sich ein junger Mensch für Briefmarken interessiert (ein paar gibt es durchaus), dann ist für ihn die Form Kommunikation in einer Kneipe/Schule (da fangen die meisten eh das würgen an) keine attraktive Option. Warum auch? Es gibt Gruppen/Foren, man kann die Marken online kaufen, ich kann mir in Ruhe nach meinen Gebieten die Leute in eben diesen Foren/Gruppen suchen/kontaktieren und selbst Auktionshäuser für fortgeschrittene Zeitgenossen gehen inzwischen live online. Nur weil es Leute jenseits der 80 gibt, die sich standhaft weigern, die neuen digitalen Mittel zu nutzen, liegt wirklich nicht in deren Verantwortung.

Das ganze Gedöns mit Vereinen/Landesverbänden (die sterben zuerst), BdPh hat sich in 10 bis 15 Jahren mit Aussterben der jetzigen Generation sowieso erledigt. Ich brauche das alles auch nicht (bin nirgendwo Mitglied) und Verantwortung habe ich in so manchen anderen Bereichen, die für mein Leben viel wichtiger sind mehr als genug. Und das gleiche gilt für die jungen Menschen: Die brauchen keine zusätzliche Verantwortung von Strukturen, die sie nicht benötigen.

Andererseits: Schaue ich mir die verkauften Positionen und die Preise bei hochwertigen Briefmarken auf Auktionen an, läuft der Markt gar nicht so schlecht. Es wird sehr viel verkauft und die Unternehmen erzielen steigende Umsätze, wenn man deren Meldungen glauben darf. Älteres Gelumpe wird eher von älteren Herrschaften gekauft, von daher bin ich nicht so pessimistisch wie der Autor des Artikels. Junge werden eines Tages alt, wie ich selber schmerzlich erfahren darf. Es wird länger dauern, bis Briefmarken sammeln komplett verschwindet. Aber den Breitensportstatus wird das Hobby nie mehr bekommen. Einfach, weil heutzutage im täglichen Leben Briefmarken überflüssig geworden sind. Gerade bei den jungen.

Grüße Oliver
 
Quelle: www.philaseiten.de
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