Thema: Handrollstempel, ungewöhnliche und seltene Beispiele
filunski Am: 01.12.2019 16:26:44 Gelesen: 419303# 702@  
@ Shinokuma [#699]

Handrollstempel erkennen, Teil 1

Hallo Gunther,

diese Frage ist eigentlich längst überfällig und du bist sicher nicht der Einzige, der sich die stellt, aber der Erste der es hier öffentlich macht. ;-) Ich werde mal versuchen dies zu beantworten.

Das sicherlich einfachste und untrügerischste Erkennungsmerkmal hat du schon selbst genannt. Der um 90 Grand gedrehte Stempelkopf. Trifft auf die überwiegende Mehrheit aller Handrollstempel zu und ist immer ein sicheres Indiz dafür, dass es sich um einen Handrollstempel handelt. Ich kenne bislang keinen Maschinenstempel mit gedrehtem Stempelkopf wie bei den Handrolleren (würde mich aber über eine Widerlegung auch freuen) ;-)

Ein weiteres solches Indiz sind die Wellen im Entwerter. Handrollstempel haben immer anschmiegende Wellen. Das kann aber auch trügerisch sein, es gibt auch Maschinenstempel mit anschmiegenden Wellen, hier solch ein Maschinenstempel aus Schweden:



So, nun aber zu dem in Frage gestellten Stempel [#694].

Der hat nur Wellenansätze, ansonsten ein Werbeklischee. Diese Wellenansätze sind anschmiegend, aber das kann ja auch in die Irre führen, zumal der Stempelkopf nicht um 90 Grad gedreht ist.

Dazu muss ich noch ein wenig ausholen. Zu Beginn hatten die deutschen Handrollstempel (zumindest die regulär in Serie produzierten, nicht die Vorläufer und Versuchsstempel) immer den um 90 Grad gedrehten Stempelkopf. Mit Einführung des deutschen Normstempels bei der Reichspost, der Zweikreisstegstempel, der bei den Handrollstempeln erst ab ca. Mitte der 1930er Jahre verwendet wurde, gab es plötzlich auch Handrollstempel mit nicht gedrehtem Stempelkopf (genauso wie schon immer bei den Maschinenstempeln). Diese waren zwar nicht sehr häufig, aber eben doch vorhanden, noch weiter bis in die Zeit der Bundespost. Hier mal ein Beispiel dazu, ein Handrollstempel:



Bei dem Beispiel sehr deutlich die anschmiegenden Wellen als Erkennungsmerkmal für den Handroller.

Noch einen Vergleich dazu:



Jetzt wird es schon spannender und viele Philatelisten die sich nicht eingehend mit der Stempelkunde befassen und/oder auch Stempelkundler die nicht so sehr in Maschinen-, geschweige denn Handrollstempeln kundig sind, scheiden hier schon gerne mal aus.

Oben haben wir wieder einen Handrollstempel (anschmiegende Wellen!), unten, der sieht ja fast genauso aus! Ja, aber eben nur fast, der hat eben keine anschmiegenden Wellen. Unten haben wir einen Maschinenstempel (Bandstempel mit zwei Stempelköpfen) aus dem Hause Klüssendorf.

So weit, so gut, wieder zurück zu [#694]. Die bisherigen Ausführungen lassen da immer noch beide Deutungen zu. :-(

Entweder man kennt diesen Stempel, ist z.B. im Bochmann Katalog zu finden mit dem Hinweis, dass es ein Rollstempel ist. Oder man betreibt jetzt die "hohe Schule" der Stempelkunde.

Diese damaligen Handrollstempelwalzen bestanden aus zwei Teilen, fest montiert der Stempelkopf mit dem Ortsstempel und auswechselbar der Entwertereinsatz. Sehr gut auf dieser Zeichnung zu sehen:



Das als P bezeichnete Einsatzstück, die eine Hälfte der Stempelwalze, war auswechselbar. Man konnte hier einen Wellenentwerter oder ein Werbeklischee einbauen. Die beiden Hälften gingen aber nicht ganz nahtlos ineinander über und wenn man es weiß und darauf achtet, kann man den Übergang/Lücke auch am Stempelabdruck sehen.

Schauen wir uns also jetzt nochmals [#694] an:



Dort wo sich die roten Pfeile befinden ist die Lücke, der Übergang vom Stempelkopf zum auswechselbaren Entwerter.

Hier beide im Detail:



Stempelkopf, die Wellenansätze waren fest mit eingraviert.



Auswechselbarer Entwerter, entspricht P in der obigen Zeichnung. Man hätte hier genauso gut einen Wellenentwerter einbauen können.

So, damit lasse ich es erst mal gut sein. Seht euch das mal erst in Ruhe an, Fortsetzung, Teil 2 folgt gleich. ;-)

Viele Grüße,
Peter
 
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