Thema: Tschechoslowakei Luftpost 1919 bis 1938
saintex Am: 22.12.2019 18:25:09 Gelesen: 150802# 160@  
@ Detlev0405 [#159]

Hallo Detlev,

ein äußerst interessanter Luftpostbrief aus Bolivien aus dem Jahr 1935, den Du uns in Deinem Beitrag [#159] zeigst und der einige Anmerkungen verdient hat.

1. Der Luftpostbrief wurde im April 1935 in der Hauptstadt Boliviens, La Paz aufgegeben. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die seit Juni 1932 zwischen Bolivien und dem Nachbarstaat Paraguay andauernde militärische Auseinandersetzung (sog. Chacokrieg) um die Grenzregion zwischen beiden Staaten, den Gran Chaco bzw. Chaco Boreal, in ihrer Endphase. Beide Seiten hatten seit Kriegsbeginn ausländische Militärberater engagiert und ihren Generalstäben zur Seite gestellt. Zum Befehlshaber der bolivianischen Truppen wurde bei Kriegsbeginn der deutsche General Hans Kundt ernannt, der jedoch nach schweren Niederlagen der bolivianischen Seite im Dezember 1933 zurück trat und durch bolivianische Generäle ersetzt wurde.

Weniger bekannt ist, dass auch die Tschechoslowakei eine Militär-Mission zur Unterstützung der bolivianischen Kriegsanstrengungen nach Bolivien entsandte. Die tschechische Militär-Mission, die aus fünf Offizieren unter dem Kommando des tschechischen General Vilém Plaček stand, traf im Mai 1934 in Bolivien ein und kehrte nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes zwischen Bolivien und Paraguay am 12.06.1935 im Juli 1935 in die Heimat zurück. Hintergrund der Entsendung der tschechischen Militär-Mission nach Bolivien war offensichtlich staatliche „Kundenpflege“, da Bolivien einer der Hauptkunden der tschechoslowakischen Rüstungsindustrie war. Es war die erste militärische Auslandsmission der unabhängigen Tschechoslowakei nach ihrer Gründung am 28.10.1918.



General Vilém Plaček (Bildquelle: Facebook)

Nach den Angaben auf der Rückseite Deines bolivianischen Luftpostbriefes war Absender des Briefes offensichtlich der Leiter der tschechoslovakischen Militär-Mission in Bolivien, General Vilém Plaček. Adressiert ist der Luftpostbrief an einen Major Karel Fišer in Prag-Dejvice, wo sich am Vitězné náměstí (Siegesplatz) das Gebäude des Generalstabes der tschechoslowakischen Armee befand. Auch das spricht für die Vermutung hinsichtlich des Absenders des Luftpostbriefes.

2. Thematisch zum Grund des Aufenthaltes des Absenders in Bolivien passend, ist die Frankatur mit einem Propagandastempel der bolivianischen Post entwertet, der in vier Sprachen (spanisch/engl./franz./dt. ) die bolivianischen Gebietsansprüche in der umkämpften Grenzregion bekräftigt und dessen Text lautet: „ El Chaco Boreal/es y sera siempre de Bolivia/is and will always be Bolivia‘s/est et sera toujours bolivien/ist und wird immer Bolivien sein“. Hier der Propagandastempel nochmals auf einem Luftpostbrief aus meiner Sammlung



Die bolivianischen Gebietsansprüche erfüllten sich allerdings nicht. Im Chacokrieg militärisch unterlegen, musste Bolivien im Friedensvertrag mit Paraguay von 1938 den Großteil der umstrittenen Grenzregion an das Nachbarland abtreten. Letzte Unstimmigkeiten im Grenzverlauf wurden allerdings erst im Jahr 2009 durch einen Grenzvertrag zwischen beiden Ländern beseitigt.

3. Hinsichtlich des Leitweges der bolivianischen Luftpost nach Europa innerhalb Südamerikas gab es in der 1930er Jahren nach meinen Recherchen zwei verschiedene Leitwege:

Bolivianische Luftpost, die mit der deutschen Fluggesellschaft Lufthansa nach Europa befördert werden sollte, wurde innerhalb Boliviens mit der bolivianischen Fluggesellschaft Lloyd Aéro Boliviano (LAB) von La Paz über Cochabamba, Santa Cruz und Roboré bis zur brasilianischen Grenzstadt Corumbá und von dort mit der brasilianischen Fluggesellschaft Syndicato Condor über Sao Paulo nach Rio de Janeiro befördert. Dort hatte die bolivianische Luftpost Anschluss an den Trans-Ozean-Dienst der Lufthansa nach Europa.

Die zur Beförderung durch die französische Fluggesellschaft Air France bestimmte Flugpost wurde dagegen durch die LAB von La Paz aus in südlicher Richtung bis zur bolivianischen Grenzstadt Yacuiba an der Grenze zu Argentinien befördert und dort von der us-amerikanischen Fluggesellschaft Panagra übernommen, die die für Europa bestimmte bolivianische Luftpost über ihr argentinisches Streckennetz nach Buenos Aires beförderte, wo die bolivianische Luftpost Anschluss an die wöchentlich Sonntag früh um 04:00 Uhr abgehenden Flüge der Air France nach Europa hatte. Rückseitig erhielten diese Luftpostsendungen aus Bolivien in Buenos Aires häufig einen auf die Luftpostbeförderung hinweisenden Poststempel, der den Leitweg über Buenos Aires belegt.



Luftpostbrief aus La Paz nach Paris vom 7.9.1934 mit rückseitigem Transit-Stempel SERV. AEROPOSTAL BUENOS AIRES 15.9.34 18 Uhr

Ein identischer Transit-Stempel findet sich auch auf der Rückseite Deines Luftpostbriefes links unterhalb des Logos der Air France, allerdings nur schwach und auf dem Kopf stehend abgedruckt. Bei entsprechender Vergrößerung ist das Stempeldatum jedoch klar erkennbar 27.04.35. 18 Uhr. Der Luftpostbrief wurde mit der am Folgetag, Sonntag 28.4.1935 04:00 Uhr von Buenos Aires abgehenden französischen Flugpost nach Frankreich befördert, die nach den in meinem Archiv registrierten Stempeldaten am 5.5.1935 16 Uhr im Pariser Hauptpostamt (Paris R.P. Avion) eintraf. Damit korrespondiert der rückseitig angebrachte Ankunftsstempel des Postamtes Prag 7 vom Folgetag, dem 6.5.1935 13 Uhr.

4. Fazit: Ein schönes Stück tschechoslowakischer Militärgeschichte, bestimmt nicht häufig zu finden. Glückwunsch zu dem Fund.

Quellennachweise

Internet
R.E.G. Davies, Airlines of Latin America since 1919, London 1984
Gerard Collot/Alain Cornu, Ligne Mermoz Histoire Aérophilatelique Latecoere Aeropostale Air France 1918 – 1940, Paris 1990
u.a.

saintex
 
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