Thema: Deutsches Reich 909/910 SA/SS: Michel streicht die Briefnotierungen
Stefan Am: 19.01.2020 21:41:45 Gelesen: 136642# 223@  
Als Ergänzung zum Beitrag [#215]:

Mir liegen für das Jahr 1945 Kopien der Amtsblätter des Reichspostministeriums der Ausgaben Nr. 1 bis 22 vor, welche vom Vorbesitzer dieses Satzes Kopien zu einem Buch gebunden wurden. Bei dem Amtsblatt Nr. 21 fehlt das Titelblatt. Sollten weitere (spätere) Amtsblätter existieren, so sind mir diese nicht bekannt. Es ist mir ebenfalls nicht bekannt, ob nach Kriegsende im Jahr 1945 weitere Amtsblätter veröffentlicht wurden (und diese ggf. eine anschließend fortlaufende Nummerierung aufweisen, wodurch ein Rückschluss auf fehlende Amtsblätter gegeben wäre). Allgemein ist im Titelblatt des jeweiligen Amtsblattes angegeben, dass das Amtsblatt 2x pro Woche erschien. Nachfolgend eine Übersicht der Veröffentlichungsdaten der Amtsblätter (in Klammern wurden zusätzlich der betreffende Wochentag sowie die Kalenderwoche angegeben). Die Druckerei der Amtsblätter (insbesondere der Druckort) ist mir nicht bekannt.

Amtsblattnr. - Ausgabedatum

01/1945 – 02.01.1945 (Dienstag, KW 01)
02/1945 – 05.01.1945 (Freitag, KW 01)
03/1945 – 05.01.1945 (Freitag, KW 01)
04/1945 – 09.01.1945 (Dienstag, KW 02)
05/1945 – 12.01.1945 (Freitag, KW 02)
06/1945 – 16.01.1945 (Dienstag, KW 03)
07/1945 – 19.01.1945 (Freitag, KW 03)
08/1945 – 23.01.1945 (Dienstag, KW 04)
09/1945 – 29.01.1945 (Montag, KW 05)
10/1945 – 30.01.1945 (Dienstag, KW 05)
11/1945 – 16.02.1945 (Freitag, KW 07)
12/1945 – 23.02.1945 (Freitag, KW 08)
13/1945 – 24.02.1945 (Samstag, KW 08)
14/1945 – 27.02.1945 (Dienstag, KW 09)
15/1945 – 06.03.1945 (Dienstag, KW 10)
16/1945 – 09.03.1945 (Freitag, KW 10)
17/1945 – 13.03.1945 (Dienstag, KW 11)
18/1945 – 16.03.1945 (Freitag, KW 11)
19/1945 – 20.03.1945 (Dienstag, KW 12)
20/1945 – 27.03.1945 (Dienstag, KW 13)
21/1945 – unbekannt (Titelblatt fehlt)
22/1945 – 10.04.1945 (Dienstag, KW 15)

Entgegen der generellen Ankündigung, dass ein Amtsblatt 2x pro Woche erscheinen würde, erschienen im Jahr 1945 nicht generell pauschal zwei Amtsblätter pro Woche. Ich setze allerdings voraus, dass die inhaltlichen Angaben der Amtsblätter, bspw. zu amtlichen Verfügungen im Betriebsablauf, Angaben zur kriegsbedingten Verlagerung von Postämtern, personalrechtlichen Anweisungen usw. zumindest im Ansatz eine gewisse Notwendigkeit besaßen und der damaligen Realität – weitgehend fern von jeglicher rein politischer Propaganda – entsprachen.

Grundsätzlich gilt die Aussage, dass Papier geduldig ist. Mangels anderer Quellen gehe ich erst einmal davon aus, dass die angegebenen Daten (Bsp. Verausgabungsdaten der Amtsblätter) der Realität entsprachen. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die redaktionelle Tätigkeit zur Erstellung der Amtsblätter zum Datum X einige Tage Vorlauf in Anspruch genommen haben dürfte. Die Anschrift des Verlages, welche die Amtsblätter erstellte, lautete wie folgt: Postzeitungsamt, Dessauer Str. 3-5, Berlin W. Der Verlag hatte demnach seinen Sitz in Berlin. Der Sitz der Druckerei ist, wie beschrieben, nicht bekannt. Die Seitennummerierung der Amtsblätter ist innerhalb eines Jahrgangs fortlaufend.

In den Amtsblättern 01/1945 sowie 04/1945 und 10/1945 werden in der Rubrik „Verfügungen“, Unterrubrik „Allgemeines“ neue Briefmarkenausgaben des Deutschen Reiches angekündigt. Diese Unterrubrik ist i.d.R. auf der Titelseite des Amtsblattes oder auf der nachfolgenden Seite aufgeführt. Das Amtsblatt 01/1945 (Seite 1) kündigt am 02.01.1945 zum Ausgabedatum 06.01.1945 die Verausgabung der Mi-Nr. 907 (600 Jahre Stadtrecht Oldenburg) an. Die Abbildung dieser Briefmarke wird im Amtsblatt 04/1945 vom 09.01.1945 (Seite 13) nachgereicht. Das Ausgabedatum vom 06.01.1945 wird ebenfalls im Michel-Katalog geführt und dort eine Bewertung für FDC angegeben. Im Amtsblatt 10/1945 vom 30.01.1945 (Seite 31) erfolgt die Ankündigung der Mi-Nr. 908-910 und X-XI zum Ausgabedatum vom 30.01.1945, welche in Beitrag [#215] gezeigt wird.

In den Postamtsblättern wird ebenfalls über Neuerscheinungen des Protektorates „Böhmen und Mähren“ berichtet, so auch im rund 3 ½ Wochen später erschienenen Amtsblatt Nr. 13 vom 24.02.1945 in der Rubrik „Mitteilungen des RPM“, Meldung Nr. 1019/1945 (Seite 44) zur Verausgabung einer Dauerserienmarke zu 4,20 Kronen rückwirkend zum 01.02.1945 (B&M Mi-Nr. 142), ohne diese abzubilden.

Ein Abgleich der angekündigten Ausgabedaten in den Amtsblättern des vorherigen Jahres 1944 mit den Angaben im Michel Deutschland-Katalog ergab (soweit mir die Amtsblätter des Jahres 1944 vorlagen) i.d.R. eine Übereinstimmung der Daten und damit keine Phantasiegebilde. Üblicherweise wurden die für die Verausgabung angekündigten Briefmarken auch abgebildet (¾ der tatsächlichen Größe). Sofern zum erstmaligen Ankündigungstermin der betreffenden Briefmarkenausgabe keine Abbildung im Amtsblatt vorlag, wurde diese in einer späteren Amtsblattausgabe nachgereicht. Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass abbildungsfähige Exemplare aus der Briefmarkenproduktion für die Erstellung des fraglichen Amtsblattes 10/1945 vorgelegen haben. Dies lässt naturgemäß keinen Rückschluss zu, dass die für eine landesweite Verausgabung notwendige Menge an druckfertigen Briefmarken zentral in Berlin zur weiteren Verteilung an die Oberpostdirektdirektionen (und darüber an die einzelnen Postämter) vorlag. Es ist allerdings davon auszugehen, dass dies im Regelfall zutraf, insbesondere für die Verausgabung der Briefmarken einschließlich der Mi-Nr. 907 vom 06.01.1945.

Fazit: Meinem sprachlichen Verständnis nach in Bezug auf die Amtsblattmeldung 10/1945 sowie der Durchsicht der Meldungen zu Briefmarkenneuerscheinungen der Jahrgänge 1944/1945 fasse ich die fragliche Meldung 10/1945, welche in Beitrag [#215] gezeigt wird, tatsächlich so auf, wie es dort niedergeschrieben wurde. Die Verausgabung der Mi-Nr. 908 sowie 909-910 und X-XI war parallel zur Veröffentlichung der Meldung des Reichspostministeriums für den 30.01.1945 avisiert. Aus nicht bekannten Gründen erfolgte die Verausgabung zu späteren Terminen (zumindest Mi-Nr. 908) oder unterblieb zur Gänze (Mi-Nr. X-XI). Die nachfolgenden Amtsblätter des Jahres 1945 (Monate Februar bis April) bis zum Veröffentlichungsdatum vom 10.04.1945 weisen mit Ausnahme der später veröffentlichten Meldung zur Briefmarke „Böhmen & Mähren“ Mi-Nr. 142 vom 01.02.1945 keinen weiteren Informationen über Briefmarkenneuausgaben auf.
Allerdings würde zur fraglichen Überlegung, ob die Mi-Nr. 909-910 nun tatsächlich im April 1945 verausgabt worden wären, das fragliche Amtsblatt aus dem betreffenden Zeitraum (nach dem Erscheinungsdatum des letzten, mir vorliegenden Amtsblattes vom 10.04.1945) fehlen, sofern dieses überhaupt noch kurz vor Kriegsende redaktionell erstellt, gedruckt und an die Postämter verteilt wurde.

Ein Nachweis, ob die Mi-Nr. 909-910 überhaupt verausgabt wurden, lässt sich meinem Eindruck nach nicht mit den vorliegenden Amtsblättern von 1945 führen, allenfalls der Nachweis, dass sonstige Veröffentlichungen zu Briefmarkenneuausgaben des Reichspostministeriums in den Wochen und Monaten zuvor bzw. in einem Fall danach i.d.R. zutreffend und realitätsbezogen waren.

Es lässt sich nun spekulieren, ob nun die für die geplante Verausgabung vom 30.01.1945 notwendigen Mengen an Briefmarken insbesondere der Mi-Nr. 909-910 und X-XI, wie die vorherigen Postwertzeichen auch, bereits Ende Januar 1945 in Berlin (oder an anderen zentralen Punkten?) für eine landesweite Verteilung an die Postämter vorlagen und anstelle einer Verausgabung aus nicht bekannten Gründen dann eine Einlagerung stattfand. Nach Kriegsende wäre dann die Mi-Nr. 909-910 von Berlin aus – auf welchen (mysteriösen) Wegen auch immer - in Sammlerhand gelangt, während die paralllel zur Mi-Nr. 909-910 produzierte Ausgabemenge der Mi-Nr. X-XI verschollen ist oder vernichtet wurde. Es ist zumindest auffällig, dass mit Ausnahme der Stücke von Vorlagekartons der Mi-Nr. X-XI in den vergangenen Jahrzehnten keine weiteren Exemplare bekannt geworden sind.

Alternativ ließe sich spekulieren, dass die eingelagerten Berliner Bestände vernichtet worden sind und aktuell auf dem Sammlermarkt vorhandene Stücke der Mi-Nr. 909-910 aus den (Rest-)Beständen der Druckerei in Wien stammen (gezähnte und ungezähnte Exemplare) bzw. den von Belgiensammler in Beitrag [#221] gemeldeten Sachverhalt von in Passau zwischengelagerten Sendungen aus Wien (Pakete/Kisten o.ä. größerem Umfangs), welche dann nach Kriegsende 1945 möglicherweise in Sammlerhand gelangten. Gemäß den Angaben im Michel-Katalog gilt dies zumindest für ungezähnt gebliebene Exemplare der Mi-Nr. 909-910.

Gruß
Pete
 
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