Thema: Deutsche Auslandspostämter China: Brief mit deutschen und chinesischen Marken
ligneN Am: 27.11.2009 02:41:47 Gelesen: 62743# 28@  
Hallo zusammen,

hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine Brief(ver-)fälschung.

Umschlag und Frankatur Deutsche Post in China sind echt und auch echt gelaufen. Die chinesischen Marken wurden dazugeklebt und mit Falschstempel versehen.

Begründung:

1. Wie bereits oben ausgeführt, endete das System der Doppelfrankaturen mit Deutschland 1905. Andere Staaten mit Auslandspostämtern in China hatten bereits 1903/04 (zB Japan, Frankreich, Grossbritannien), Rußland schließlich 1906 folgendes vereinbart: Postaustausch ohne Doppelfrankaturen auf Basis der Gegenseitigkeit.

1910 gab es schon lange keine* Doppelfrankaturen mehr.

2. Pa-Kua von Tientsin. Schlicht ein Falschstempel: Echte Tientsin-Pakuas sehen anders aus, nicht so "schlank" und etwas abgenutzt.

1910 gab es auch schon lange keine Pa-Kua Stempel mehr. Verwendet nur 1897/98 und nachlassend bis 1902.

Ausnahmen bei Ämtern in den Provinzen sowie auf Paquebotbriefen als "Killerstempel", selten auf Portomarken und Paketen. Im Dezember 1912 wurde die Einziehung aller Pa-Kua verfügt. Aber siehe 4. ;-)

3. Unglaubwürdig auch die Stempelung der chinesischen Seite.

Wo ist der/sind die chinesischen Tagesstempel? Das waren 1910 bereits die bekannten boxed daters.

Wo ist/sind Sorterstempel des chinesischen Postamtes (ein- zwei Zeichen, manchmal mit Rahmen, keine Briefträgerstempel wie gerne behauptet wird)?
Der Negativ- (Siegel-) stempel) von Tientsin2 ist wohl eine Imitation einer echten Type (sieht man als Souvenir aus der Boxerkriegsbesatzungszeit 1900/03), die an sich nur auf Dokumenten, Paket- und Geldanweisungen und eben in Siegellack vorkommt.

4. Nur am Rande, auffällig ist schließlich die Verwendung von Aufdruckmarken 1897 bzw. der Lithoausgabe, wo man die 1910 hergenommen haben will?

Könnte natürlich auch ein Sammler AD1910 zur Hand gehabt habe: dann ging er zu seinem Freund, dem Postmeister von Tientsin2, der den Pa-Kua aus dem Archiv und den Siegelstempel nahm und für seinen deutschen Freund schönstens stempelte. Er nahm den Umschlag von seinem Freund, dem Postmeister wieder entgegen, klebte die die DP China Marke dazu und gab das Ganze dann beim KDPA Tientsin auf: Als Bankkorrespondenz, tja, an seinen Freund beim Briefeingang der Deutschen Bank Wiesbaden (gerade noch die Kurve gekriegt). Da biegen sich doch die Balken.

Geht der senkrechte Bug auch durch die 1 C. Marke? Warum hat jemand rückseitig sorgsam den Kw der DP Marke notiert, nicht aber den der chinesischen Marken?

Das ist alles nicht plausibel.

Es ist gängige Praxis der chinesischen Fälscher mit zeitgerechten Stücken "Raritäten" zu basteln.

Wie im vorliegenden Fall nimmt man Ganzstücke der fremden Auslandsämter und bastelt Kombinationsfrankaturen. Gerne genommen werden auch auch durch Ausländer beschriftete chinesische AK 1900-20, bei denen man die komplette fremde Frankatur entfernt und den Rest dazufälscht. Solche Stücke kauft man gerne bei ebay, Monate später tauchen sie dann aufgehübscht (hüstl) wieder auf. Ebay ist übersät mit Ganz- und Teilfälschungen von angeblichen Kaiserzeitbriefen.

Und natürlich auch die Sammlermärkte vor Ort.

Also bitte in die Fälschungssammlung aufnehmen und nicht das Exponat damit abwerten.

Mit bedauerndem Gruß
ligneN

*Ausnahme japanische Postämter in der mandschurischen Eisenbahnzone 1906/37, nur von/nach China.
 
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