Thema: Luxemburg: Besondere Stücke der Luxemburger Wappenausgabe
marc123 Am: 19.03.2020 10:55:12 Gelesen: 10660# 20@  
Der „UN-FRANC-Brief nach Amsterdam“ Ein früher Postbetrug

Der großformatige Briefumschlag wurde am 27. November 1876 von Luxemburg-Bahnhof nach Amsterdam verschickt. Frankiert wurde er anhand von zwei Marken zu UN-FRANC der farbig durchstochenen Ausgabe von Naumann. Abgestempelt wurden beide Marken anhand des Einkreisstempels „LUXEMBURG-BHF“. Der Umschlag samt Inhalt wog, wie oben links angegeben, 120 Gramm. Das entsprach der achtfachen Auslandsportostufe des Allgemeinen Postvereins, 25 Centimes pro 15 Gramm, also 2 Franken. Oben rechts wurde noch mit „Pressé“ handschriftlich notiert, dass die Beförderung eilt. Adressiert wurde der Brief an Herrn Insinger, Commissaire de la Compagnie de Navigation à Vapeur Zeeland, mit Sitz in Amsterdam.



Abb. 1: „UN-FRANC-Brief nach Amsterdam“ Vorderseite




Abb. 2: „UN-FRANC-Brief nach Amsterdam“ Rückseite

Der Absender

Die Siegelreste auf der Rückseite (Abb. 2) sind zu gering, um Rückschlüsse auf den Absender zu geben. Von Interesse ist aber eine Bleistiftnotiz (Abb. 3) auf der Rückseite in niederländischer Sprache:



Abb. 3: Bleistiftnotiz auf der Rückseite

„ommestaand adres is geschreven door Prins Hendrik van Oranje“, was übersetzt bedeutet, dass die gegenüberliegende Adresse von Prinz Heinrich der Niederlande geschrieben wurde[1].

Zeitlich passt die Notiz. Prinz Heinrich von Oranien-Nassau, war von 1850-1879 Statthalter vom Großherzogtum Luxemburg und der Bruder des niederländischen Königs und Großherzog von Luxemburg, Wilhelm III. Auch zur Adresse passt, dass Prinz Heinrich „der Seefahrer“ genannt wurde. Unklar bleibt, wer die Notiz auf der Rückseite geschrieben hat, sowie die Überprüfung deren Richtigkeit.

Der Postbetrug



Abb. 4: Die Frankatur

Auffällig ist der Qualitätsunterschied beider Marken. Die rechte Marke wirkt weniger frisch und ist auch insbesondere an der linken unteren Ecke beschädigt (Abb. 4). Sie erinnert an unsachgemäß abgelöste Marken.



Abb. 5: Die wiederverwendete Marke, um 90° gekippt. Erkennbar sind Überreste einer früheren Abstempelung

Beim genaueren betrachten entdeckt man unter den Stempeln der rechten Marke einen weiteren Stempel, der zweimal abgeschlagen wurde und weder auf die zweite Marke noch auf den Umschlag übergeht (Abb. 5). Es handelt sich auch nicht um den Stempel von Luxemburg-Bahnhof, sondern um den Einkreisstempel von Luxemburg, den man auf diesem Wert von den Paketbegleitkarten nach Longwy kennt[2]. Beim früher angebrachten Stempel fällt neben den Resten von schwer erkennbaren Ziffern, besonders die „6“ auf, bei der es sich anhand des Abstands zum L von Luxemburg um die zweite Zahl der Ziffer des Monatstages handelt. Auffällig ist auch, dass sich alle drei zum Brief gehörenden Stempel nicht im gleichen Winkel befinden, was auf Briefen dieser Zeit eher die Ausnahme ist. Zwei Abstempelungen hätten gereicht, drei wären sicher nicht von Nöten gewesen. Für das Anbringen der Stempel musste der Brief einmal um 180° gedreht werden. Die beiden jüngeren Stempel der rechten Marke sind auch so angebracht, dass sie die jeweiligen älteren Stempel weitmöglichst unerkennbar überdecken. Wer hat den Postbetrug durch das Wiederverwenden des damaligen Höchstwertes durchgeführt? Der Absender oder der Postbeamte? Für den Postbeamten sprechen eher die Lage und Position der Abstempelungen, beweisen lässt es sich aber nicht mehr.

Bedeutung des UN-FRANC-Briefes nach Amsterdam

Eine Registratur sämtlicher uns bekannter Briefe und Fragmente mit der UN-FRANC-Naumann haben wir bereits 2015[3] veröffentlicht. Mittlerweile konnten wir diese um ein weiteres Fragment und den hier vorgestellten Brief ergänzen (Tab. 1). Anhand der Fragmente lässt sich wenig über den Verwendungszweck sagen. Der uns damals bekannte Brief und die beiden unvollständigen Briefvorderseiten sind Wertbriefe mit Mischfrankaturen. Bei dem hier vorgestellten Brief handelt es sich erst um den zweiten bekannten vollständigen Briefumschlag. Bis Dato war für diese Marke nur die Verwendung auf Wertbriefen und auf Paketbegleitkarten belegt. Durch diesen Brief ist nun ein weiterer Verwendungszweck (achtfache Auslandsportostufe im Allgemeinen Postverein) belegt. Weiter ist er der einzige bekannte Beleg dieser Marke, bei dem es sich nicht um eine Mischfrankatur handelt[4]. Zur Bedeutung des Briefes kommt noch die für diese Zeit seltene Destination in die Niederlande und der Beleg eines frühen Postbetrugs hinzu.



Tabelle 1: Briefe und Fragmente mit der UN-FRANC Marke. Nicht aufgelistet sind Paketbegleitkarten und Fragmente solcher. Bei den Provenienzen werden Auktionshäuser nur einmal aufgeführt, wenn die gleichen Lose in mehreren aufeinanderfolgenden Auktionen angeboten wurden, die aktuellen Besitzer werden nicht genannt, auch wenn sie uns bekannt sind [5]

Commission pour la Philatélie traditionnelle, les Entiers postaux et l’Histoire postale du Luxembourg
Marc Schaack - Olivier Nosbaum

[1] Hilfe bei der Entschlüsselung der Schrift und deren Übersetzung bekamen wir auf Philaseiten.de von Herman Geurts und Olaf „DERMZ“.
[2] MDC 4, 2015, 188-191; O. Nosbaum/ M. Schaack, Forschungen zu den Luxemburger Wappenmarken (1859-1882) (Saarbrücken 2019), 109–115.
[3] MDC 5, 2015, 215-223; O. Nosbaum/ M. Schaack, Forschungen zu den Luxemburger Wappenmarken (1859-1882) (Saarbrücken 2019), 99–108.
[4] Bei der Paketbegleitkarte des Loses 1508, Soluphil 115 (Sammlung Melusina), ebenfalls frankiert mit zwei UN-FRANC Marken, wurde die restliche Frankatur entfernt.
[5] Leicht verändert und um einen Beleg und ein Fragment ergänzt, nach: O. Nosbaum/ M. Schaack, Forschungen zu den Luxemburger Wappenmarken (1859-1882) (Saarbrücken 2019), 101, Tab. 1.

(Aus: FSPL (Hrsg.) Moniteur du Collectionneur 1, 2020, 9-13).
 
Quelle: www.philaseiten.de
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