Thema: Handrollstempel, ungewöhnliche und seltene Beispiele
filunski Am: 21.03.2020 23:42:24 Gelesen: 401851# 1001@  
@ bernhard [#998]

"habe ich mich da so mißverständlich ausgedrückt?"

Hallo Bernhard,

aber nein, keineswegs. ;-)

Nur habe ich anscheinend andere Schlüsse daraus gezogen. Ich will mal versuchen die ganze Breusch-Pforzheim Geschichte ein wenig aufzuschlüsseln (die Informationslage dazu ist ja, wie du auch weißt Bernhard, recht dürftig und es bleibt viel Raum für Spekulation) und so weit möglich chronologisch darzustellen. Vielleicht lernen wir alle etwas daraus oder jemand der hier mitliest, weiß noch mehr dazu? ;-) Ich erhebe auch nicht den Anspruch auf die Alleingültigkeit meiner Überlegungen, sondern stelle diese auch zur Diskussion.

Die "Wiege" der modernen Handrollstempel liegt in Pforzheim, bei dem dortigen Postangestellten Breusch der 1923 in der Zeit der Hochinflation einen Handrollstempel entwickelte und dafür als Erster in Deutschland ein Patent bekam.

Sein erstes Modell sah so aus:



Ein Versuchsstempel, darüber sind wir uns alle zweifelsohne einig. Belege davon tauchen ab und zu mal auf.

Der Stempel für den Breusch das Patent erhielt (eingereicht 1925) sah aber anders aus. Wie genau, darüber gibt die uns vorliegende Patentschrift keine Auskunft. Eine erste Abbildung sehen wir aber auf einem Werbeblatt von Breusch (ca. 1925):



Der Stempelabdruck daraus hier nochmals näher:



PFORZHEIM / 1, der Entwerter besteht aus 6 geraden, anschmiegenden Strichen.

Ob es diesen Stempel wirklich gab ist nicht bekannt, Abschläge davon sind bislang keine bekannt.

Bekannt und durch zumindest diesen einen Abschlag belegt ist dieser Stempel:



PFORZHEIM / * 1 *, dem Stempel oben aus dem Werbeblatt ähnlich, nur zwischen den äußeren Begrenzungslinien ein Wellenentwerter (5 flache Wellen). Eventuell war dies der Stempel für den das Patent erteilt wurde. Also dann ein Vorläufer, später, wie wir noch sehen werden, in den ersten Veröffentlichungen zu den Handrollstempeln nicht aufgeführt.

Breusch "verkaufte" anscheinend sehr schnell (die Umstände dazu sind uns auch nicht bekannt, wir können da nur spekulieren) seine Patentrechte an den damals in Deutschland führenden Stempelfabrikanten Klüssendorf. Der wohl auch im Gegensatz zu Breusch dazu in der Lage und ausgestattet war, solche Handrollstempel in großen Mengen für die Reichspost anzufertigen. Er erhielt dann auch die entsprechenden Aufträge.

Schon sehr bald wurde auch die Philatelieszene auf diese neuen Stempel aufmerksam. Erstmals 1927 berichtet der damals renommierte Philatelist Ehrmann in verschiedenen Publikationen (Sammler Post, Sammler Woche) darüber und veröffentlicht dann zum ersten Mal in der Briefmarkenrundschau vom April 1927 seine Liste ihm damals bekannter Handrollstempel. Es handelt sich hierbei um den Typ 02 (Stempelkopf Ø 22 mm und größer, 6 flache Wellen, festes Entwerter-Einsatzstück). Auch damals schon von Ehrmann als Typ 2 benannt.

Hier seine damalige Liste (Auszug) mit den Stempeln aus Pforzheim:



Er nennt darin PFORZHEIM / 1 und PFORZHEIM / * 1 a

Hier beide nebeneinander:



Der Linke, PFORZHEIM / 1 hat den anderen Wellenansatz und die etwas stärker gewellten Wellen, als sonst bei dem Typ 02 üblich. Vielleicht, meine Gedanken ohne diese belegen zu können, noch aus der Eigenproduktion Breusch, aber m.E. kein Versuchsstempel mehr, sondern der Beginn der Serienproduktion. Eventuell schon zusammen mit Klüssendorf.

Ebenfalls noch im Jahre 1927 veröffentlicht ein anderer damals bekannter und geschätzter Philatelist, Krug, weitere Listen von Handrollstempeln. Er führt jetzt die neu von Klüssendorf alleine produzierten Handrollstempel Typ 03 (Stempelkopf Ø ca. 26 mm, 6 Wellen, auswechselbares Entwerter-Einsatzstück) auf. Diese auch, normalerweise, Ausnahmen gibt es noch (12 h V/N Format), seit Januar 1927 mit der Tageszeitangabe im 24 h Format. In seiner Liste führt er für Pforzheim folgende Stempel auf:



PFORZHEIM / * 1 b, PFORZHEIM / * 2 * und PFORZHEIM / * 2 a

Abschläge sehen wie folgt aus:



PFORZHEIM / * 1 b, hier ist im Entwertereinsatz ein zweiter Stempelkopf integriert!



PFORZHEIM / * 2 *, Muster aus der Briefmarkenrundschau von 1927.

Von PFORZHEIM / * 2 a liegen uns keine Abschläge vor.

So weit das bislang dokumentierbare Geschehen in Pforzheim bis 1927. Dort kamen danach noch weitere neue Stempel des Typs 03 dazu.

Über die Geschichte zu den "Linkshänder-Stempeln" sollten wir uns erst mal intern (über E-Mail) austauschen. ;-)

Viele Grüße,
Peter
 
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