Thema: Tschechoslowakei: Sudetendeutsche Familiengeschichte fiskalisch betrachtet
10Parale Am: 16.04.2020 21:16:58 Gelesen: 5470# 6@  
@ Marcel [#5]

Dem »Massenmord von Aussig« am 31. Juli 1945 oder den wilden Austreibungen in Nordböhmen entgangen setzte ab Januar 1946 die organisierte Vertreibung ein was diese Familie erst nach Stanau, dann nach Neustadt/Orla brachte.

Ich habe diese Familiengeschichte erst heute entdeckt und sie mit großem Interesse studiert. Ich finde sie eine wunderbare philatelistische Aufbereitung, die hoffnungsvoll beginnt und dann irgendwie tragisch endet mit Dokumenten über die Vertreibung, sozusagen "von der Wiege bis zur Bahre". Dabei scheint die Welt 1907 ja noch recht in Ordnung gewesen zu sein da drüben in den böhmischen Ländern.

Bin gerade selbst dabei dieses Thema aufzuarbeiten. 1907 war übrigens auch für die jüdische Bevölkerung noch eine starke Zeit. Ich lese gerade ein Buch von Joseph Wechsberg, der genauso wie der "Sudetendeutsche" (eine erst nach 1918 gebrauchte Bezeichnung) Joseph Schmied im Jahr 1907 zu Zeiten der Habsburger Monarchie in Moravska Ostrava geboren wurde. Dort verbrachte er unbeschwerte Tage mit seinem Vater beim Pilze sammeln im Wald. Die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers und die Kriegserklärung am 28. Juli 1914 unterbrachen diese Idylle. Der Vater, - ein gut situierter jüdischer Bürger -, meldete sich freiwillig zur Armee und wurde kurz darauf in Galizien von einem russischen Maschinengewehrposten erschossen.

Sein Sohn Joseph emigrierte im Herbst 1938 nach Amerika und kehrte im Mai 1945 als amerikanischer Soldat zurück in seine Heimat. Er suchte dort nicht nur Erinnerungen, sondern auch konkret die Eltern seiner Frau. Der erste amerikanische Soldat nach Kriegsende in Mährisch Ostrau. Darüber schrieb er das Buch "Heimkehr", erschienen im ARCO Verlag Wuppertal. Auf Seite 8 schreibt er: "Vom Masary-Bahnhof, wo ich den ersten Zug nach Mähren Ostrau bestieg, markierten frische Blumen, Kränze, kleine Fähnchen und brennende Kerzen die Stelle, wo die Deutschen vor ein paar Tagen dreiundsiebzig tschechische Patrioten mit Maschinengewehren niedergemäht hatten."

Am 31. Juli 2005 wurde an Stelle des Attentats von Aussig eine Gedenktafel für die deutschen Opfer vom Bürgermeister Petr Gandalovic enthüllt.

Ich hoffe den einen oder anderen Aspekt bald mal philatelistisch belegen zu können Für mich ein weiterer Anreiz, nach dieser schlimmen Corona-Zeit, - zumal es die Gesundheit zulässt -, wieder mal eine Reise nach Böhmen/Mähren/Schlesien zu unternehmen.

Liebe Grüße

10Parale
 
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