Thema: Altdeutschland Bayern: Fehlerhafte Atteste und Befunde
Peter Sem Am: 28.04.2020 14:12:27 Gelesen: 6829# 14@  
@ bayern klassisch

Lieber Herr Bernatz,

Ihre Geschwindigkeit, wie Sie 4 Muster meiner Befunde/Atteste aus den Jahren 2004 - 2015 vorlegen konnten, ist bewundernswert. Das sind Ihre Vorteile wohl im Ruhestand (?), während ich noch von Mo.-Sa. an 50 bis 60 Arbeitsstunden mit Briefmarkenprüfungen, Gutachten und Beratungsgesprächen ausgelastet bin. Daher mußten Sie auf meine Antwort länger warten.

Der Beleg mit Nr. 15 und Feldpost-Vermerk/Retoure (Attest von 16.8.2004) wäre für mich durchaus den Betrag wert, den Sie dafür verauslagt haben. Auch wenn die Markenverwendung vom Absender wohl aus Unkenntnis erfolgte, ist diese Kombination nicht ohne Reiz. Ich stimme Ihnen heute zu, dass die Bezeichnung "tarifrichtige Frankatur...." in diesem Fall nicht zutrifft sondern auf einem Irrtum des Absenders beruht.

Nicht zustimmen kann ich Ihnen beim ohne Nachtaxe zugestellten Brief. Hier wurde wohl bemerkt, daß eine Marke abgefallen war. Dies hat man durch den Mühlradstempel amtlich bestätigt und den Brief ohne Nachtaxierung zugestellt. Zumindest ein vergleichbarer Beleg, ebenfalls ohne Nachtaxe, ist mir bekannt. Er widerspricht zwar den Vorschriften, ist aber kein Einzelfall und für mich ungewöhnlich und en ausgestellten Befund wert!

Über die Beschreibung von Briefen mit Portomarken wurde hier schon ausreichend diskutiert. Auch im gezeigten Attest habe ich auf die Verwendung für die unfrankierte Lokalkorrespondenz hingewiesen. Sollten Sie mir jemals einen Brief mit Portomarken zur Prüfung vorlegen, verwende ich gern eine Ihnen genehme Beschreibung, sofern sie mit der Prüfordnung übereinstimmt.

Kommen wir zum letzten und höchst interessanten Beleg in die Schweiz. Er wurde mir von Dr. O. aus M. zur Prüfung vorgelegt und ich habe ihn mit einem Kurzbefund versehen. Zum Zeitpunkt der Vorlage trug er nach meiner Erinnerung nicht den rückseitigen Bleistiftvermerk. Bisher kenne ich Briefe mit geteilter Frankoabgeltung in die Schweiz übrigens nur mit Tinten/Tuschevermerken des Weiterfrankos. Ein vorderseitiger "Franko", "P.D." oder "ganz frei"-Vermerk o.ä. fehlt. Ein solcher ist bei vielen Belegen aus genannter Destination vorhanden. Danach haben Sie den Brief erworben und mir telefonisch mitgeteilt, dass mein Befund nicht stimme. Ich habe Sie daher gebeten, mir den Beleg zur Kontrolle und möglichen Neuausstellung eines Befundes/Attestes zuzustellen. Auf dieses Angebot sind Sie (leider) nicht eingegangen. Selbstverständlich hätte ich Ihnen Ihre Portoauslagen ersetzt. Alllerdings habe ich gegenüber diesem Brief noch heute die genannten Vorbehalte und würde ihn nicht wie von Ihnen erwünscht attestieren - aber das ist meine Meinung. Ihre Anmerkung, Ihnen sei der mögliche Verlust des Briefes zu riskant, halte ich daher für eine Schutzbehauptung. Glücklicherweise ist die Deutsche Post immer noch sehr zuverlässig und von meinen jährlich rund 2.000 aus/eingehenden Sendungen ging einer in den letzten 5 Jahren verlustig. In den jetzigen Corona-Zeiten hakts allerdings ziemlich!

Zum Schluss noch allgemeine Anmerkungen.

Auch ich habe mich seinerzeit über fehlerhafte Atteste bzw. überlange Prüfzeiten von 3 bis 5 Jahren (!!!) bei Bayern geärgert. Daher habe ich mich als Prüfer beworben und habe seitdem dazu beigetragen, dass sich die Prüfzeiten für meine Kunden auf ca. 2 - 3 Wochen reduziert haben. Zum Prüfer wird man nicht gezwungen sondern es war mein freier Wille. Mit dem seriösen Handel oder der Versteigerung von Briefmarken kann man allerdings weit schneller und unkomplizierter Einkommen generieren. Zudem steht man als Prüfer ständig im Fokus der Sammler/Händler und manchmal kann man es keiner Seite richtig machen. Wenns mir nicht mehr gefällt, kann ich mich glücklicherweise jederzeit zurückziehen.

Prüfer sind leider nicht unfehlbar. Bei den von mir mitgestalteten Seminaren zum BPP-Prüfernachwuchs berichte ich Interessenten immer gern, daß ich Kollegen die von sich behaupten, unfehlbar zu sein, nicht ernst nehme. Jedes Jahr geht eine fünfstellige Zahl von Marken/Briefen durch meine Hände und ich bemühe mich, bei Prüfung der Erhaltung, Echtheit der Stempel, Prüfung auf Reparaturen, des Frankos/Portos sowie postgeschichtlichen Fragen möglichst keine Fehler zu machen. Im kleinen Kreis erzähle ich manchmal, daß mein Vater durch ärztliche Fehlbeurteilung viel zu früh verstorben ist, meine Frau durch zweijährige ärztliche Fehlbehandlung Dauerschäden davontrug und meine Schwägerin durch eine fürchterliche Fehldiagnose/Falschbehandlung dauerhaft schwerbeschädigt ist. Da sind mögliche Fehler bei der Prüfung von Briefmarken leichter zu ertragen, auch wenn ich mich über jeden ärgere!

@ Bernatz: der Auslöser dieser Beiträge war Ihr Bericht über "frankierte" Portobriefe - er wurde ausreichend abgehandelt. Ich hätte mir nur gewünscht, daß der von Beginn angeschlagene Ton dem von zivilisierten Bayern-Sammlern entsprochen hätte. So haben Sie sowohl Ihnen als auch mir eher geschadet als genutzt - unser wunderschönes Sammelgebiet hat Besseres verdient. Damit schliesse ich meine Beiträge ab und werde wie in den Vorjahren nur noch als gelegentlicher Leser ohne eigene Beteiligung aktiv sein. Meine Lebensjahre sind einfach zu kostbar, um diesen Zeitaufwand zu rechtfertigen.
 
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