Thema: Briefmarken Software: Phila Color Check zur Bestimmung von Briefmarken Farben
umdhlebe Am: 15.05.2020 12:04:18 Gelesen: 41634# 34@  
@ Wim Ehlers [#30]

Hallo Wim,

ein bisschen Auswahl bei philatelistischen Hilfsmitteln ist immer gut, jeder wird dort seinen persönlichen Mix finden müssen, denn es gibt keine ultimativen Werkzeuge, die für alle gleichermaßen gut funktionieren.

Hinsichtlich der Farben hast Du drei wichtige einschränkende Punkte sogar vergessen:
7. Druckfarben unterliegen der physischen Veränderung und sind nicht stabil, erst recht nicht, wenn Marken im Postverkehr benutzt und von Sammlern "weiterverarbeitet" werden.
8. Farben sind subjektive Wahrnehmungen, die zwar vom Farbobjekt maßgeblich "vor"-bestimmt, aber endgültig in der eigenen Wahrnehmung konstituiert werden. Nicht nur die Lichtverhältnisse, auch das eigene Befinden haben Einfluss darauf.
9. Die Katalogfarben sind nicht eindeutig und nicht ineinander übersetzbar. Weder gibt es für jede Michel-Farbe eine Entsprechung bei Stanley Gibbons, noch entwickeln die einzelnen Verlage ihre Farb-Kategorien konsistent. Die Farbbezeichnungen entstehen in komplexen Prozessen. Bspw. schlagen einzelne Sammler den ArGen die "Entdeckung" einer "neuen" Farbe vor, die ArGe diskutiert und gibt den Vorschlag (modifiziert?) an den Schwanenberger Verlag, und dort wird abermals diskutiert, dazu kommen noch Prüfermeinungen, die mit Prüfermessgeräten herbeigeführt wurden, usw. Und manchmal übernimmt oder übersetzt man das Wissen anderer Kataloge. Manchmal weist man den Vorschlag als "Quatsch" zurück, und manchmal findet ein Auktionator, eine "nicht-katalogisierte" Farbe sei ein gutes Instrument zur Absatzsteigerung.


Zu 7 und 9 zwei Beispiele aus dem Michel:
7a. Im Michel Deutschland Spezial Katalog Band 1 gibt es eine Preußen 16a "mittelrosa (Töne) bis (lebhaft)karmin [rosa]" und eine 16b "lilarot (Töne) [rosakarmin]".
Die Unterscheidung ist schon deshalb haarig, weil 16b schlichtweg eine Farbveränderung von 16a ist und ursprünglich gar nicht existierte (deshalb kann der Michel-Katalog auch kein Druckdatum für die 16b angeben, obwohl die 16a eines hat). Doch selbst, wenn man die Unterscheidung akzeptierte, ließe sich eine "Grenze" zwischen lebhaftkarmin-rosa und rosakarmin beim besten Willen nicht sinnvoll bestimmen.
9a. Im Michel Überseekatalog 6.2 Südafrika gibt es beim Kap der Guten Hoffnung die Nummer 3Ixb "lilaschiefer" und 3Ixd "purpurschiefer" auf leicht geblautem Papier.
Im Michel-Farbenführer gibt es keine Farben mit dem Wortbestandteil "schiefer". Es handelt sich scheinbar um eine Übersetzung der Stanley Gibbons Angaben (SG 7c und 7d) "slate-lilac" und "slate-purple" (im Stanley Gibbons Colour Key findet man die Farben auch).

Trotzdem wollen Sammler ihre Marken ordnen, auch nach Farben, manchmal wegen des Katalogwerts. Kataloge allein sind aber niemals hinreichend, weitere Kenntnisse zu Druckverfahren und -zeitpunkt, Papierbeschaffenheit und schließlich die Geschichte der einzelnen Marke selbst sind notwendig. Das einzige was hilft sind Pragmatismus und Skepsis.
Pragmatismus, indem jeder sich Hilfsmittel sucht, um sich einer Bestimmung von Farben anzunähern. Wenn man eine Marke veräußert, wird man sich mit Handelspartnern über diese Annäherung verständigen müssen.
Skepsis gegenüber der Absolutheit: Die Preußen 16b hat im Michel die zehnfache Notierung der 16a, und doch ist sie so wertvoll wie Altpapier, und ich wünsche jedem Sammler, dass er keine finden möge.

Somit sind alle diese Programme immer nur ein Hilfsmittel, um eigene Auffassungen zu bilden. PhilaColorCheck ist sehr praktisch, wenn man mal eben schnell einen Anhaltspunkt hinsichtlich des Farbtons braucht. Niemand muss es benutzen, aber jeder darf.

Philatelistische Grüße
umdhlebe
 
Quelle: www.philaseiten.de
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