Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
volkimal Am: 20.05.2020 10:11:37 Gelesen: 515302# 1582@  
@ evwezel [#1581]

Hallo Emiel,

der übliche Ausdruck für das Militär ist Kommiß (mit "o").
Richard hat aber eindeutig Kammiß geschrieben. Evtl. ist das ein Wort aus dem Kölner Bereich.
Beim einen Namen auf Seite 2 hat du geschrieben "H. Klüfer". Das "H" in lateinischer Schrift (es ist ein Name) müsste anders aussehen.
Ich vermute, dass es ein "T" ist - bin mir aber nicht sicher.
Auf Seite 2 heißt es "20-22 dss". Die Buchstaben sind nacheinander: "d", langes "s" rundes "s".
Insgesamt lese ich:

Ruβland, 24. Jan. 1917

Lieber Franz!

Mit groβer Spannung las ich heute deinen
ersten Kammiβbrief. Ich kann mich noch immer
nicht so recht in die Sachlage hinein denken, es
kommst mir zu spanisch vor. Jeden falls freut es
mich sehr, aus deinem Brief ein unleugbare
Dienstfreudigkeit und Zufriedenheit herauszulesen.
Ich glaube bestimmt, daβ die einstmalige Gaes-
doncker Zucht und Kasernierung viel dazu
beitragen und daβ gerade diese dir das jetzige
eiseren "Muβ" viel erträglicher machen.
Auch ist es ja von groβem Wert, daβ du so
viele Kameraden in gleicher sozialer Stellung
hast, das Gegenteil wäre meines Erachtens für dich
die allerbitterste Pille gewesen. Vor allem
aber konntest du keine bessere Truppengattung
finden, die auβerdem richtig interessant ist.
In der Hauptsache kommt es ja nun zunächst auf
die Vorgesetzten an u. da geben ich dir den guten
Rat: Laβ dir von den Unterorganen nicht
zu viel gefallen! Immer wieder erhalten
wir Rundschreiben, zuletzt eines unter Geheim
direkt von Hindenburg, worin die möglichst
anständige Behandlung der Leute dringend be-
fohlen wird, unter Hinweis darauf, daβ man
es nicht mit 20 jährigen Rekruten zu tun
hätte, sondern mit Männer, die selbst wüβten,
was sie dem Vaterland schuldig sind. Solltest
du irgendwie Beschwerden haben, dann wende dich an mich.

Seite 2
Infolge der Urlaubssperre bis 20. Februar muβ
ich mich auch noch einige Wochen gedulden. Ich
hoffe 4 Wochen heraus zu schinden, in denen ich
dich sicherlich zu Hause sehen werde. Auf jeden
Fall nehme auch Fahrschein bis Coblenz.
Vom 20-22 dss hatte Moll u. T. Klüfer
zu Besuch. Die Freude der beiden kannst
du dir denken, besonders Moll war im siebten
Himmel. Ein mächtiges Faβ Bier, schöne
Schlittentouren u. gemütliche Sitzungen
schufen uns unvergeβliche Tage. Ich
lege dir eine Aufnahme bei von einer
Abfahrt zur Schlittentour. Im anderen
Schlitten Herr Lemm mit T. Klüfer,
hinten Moll u. ich im Einspänner.
Denn füge auch ein Weihnachtsaufnahme
für dich bei als Andenken.
Und nun alles Gute lieber Franz,
der Postbote kommt. Laβ dir die Sache
nicht zu sauer werden, nimm alles
von der besten Seite auf.
Mit herzl. Brudergruβ, Kuβ
Richard


Viele Grüße
Volkmar
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/3091
https://www.philaseiten.de/beitrag/233792