Thema: Delcampe und der Umgang mit Fälschungen
drmoeller_neuss Am: 18.06.2020 11:25:07 Gelesen: 38936# 169@  
@ charly999 [#168]

Vorschlag 5 dürfte nicht unkomplizierte Rechtsfragen aufwerfen, z.B. die, nach welcher Rechtsordnung sich das Impressum zu richten hat, inwieweit Unionsrecht einschlägig ist usw.. So einfach, wie manche hier die Rechtsprobleme sehen, ist es jedenfalls nicht.

Du kannst Dich als gewerblicher Anbieter dieser Rechtsfrage sehr einfach entziehen, indem Du nur Versand nach Deutschland anbietest. Dann gilt deutsches Recht. Wenn sich Dein Angebot an alle EU-Länder richtest, muss Du in den sauren Apfel beissen und damit leben, dass sich ein Käufer in Estland auf estnisches Recht beruft. Die EU-Richtlinie für Fernabsatzverträge gibt den Rahmen für alle EU-Länder vor, die Länder sind gezwungen, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, können aber in einzelnen Punkten "schärfere" Regeln vorsehen. Dann musst Du Dich nach den strengsten Vorgaben richten, und hast alle anderen, lockeren Bestimmungen mit erfasst.

Wie gesagt, kannst Du den Käuferkreis begrenzen. Das macht sicher im Einzelfall Sinn, denn den Bund-Berlin-Nachlass in drei Umzugskartons wird wohl kein Käufer in Griechenland kaufen, wenn die Versandkosten dahin bereits ein vielfaches des Kaufpreises betragen. Für alle anderen "briefgängigen" Angeboten würde ich den Käuferkreis nicht einschränken, allzu gross ist der philatelistische Markt nicht, und wenn ich dank Delcampe und ebay einen Käufer in Indien finde, der auch bezahlt, kümmere ich mich gerne um die Versandmodaliäten. Ausserhalb der EU kann man übrigens deutsches Recht als alleinige Grundlage vereinbaren.

Im übrigen ist eine faire und korrekte Artikelbeschreibung der beste Garant dafür, dass diese Frage rechtstheoretischer Natur bleibt. :)

Vorschlag 6 löst u.U. nicht unerhebliche Kosten aus, und es stellt sich die Frage, warum Delcampe für die Bequemlichkeit vieler Sammler bezahlen soll. Möglicherweise findet sich ein Kompromiß, wonach nur bestimmte, besonders fälschungsgefährdete Gebiete oder Preissegmente auf diese Weise überprüft werden. Mein Vorschlag wäre, warum nicht alle interessierten Sammler auf freiwilliger Basis einen Obolus in einen Topf bei Delcampe einzahlen, aus dem dann Moderatoren vergütet werden.

Auf stampsx wurde einmal der ebay-Umsatz in der Kategorie "Briefmarken" mit etwa 60 Millionen EUR pro Jahr beziffert. Hört sich viel an, ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass alleine eines der grossen deutschen Auktionshäuser ein Drittel davon pro Jahr umsetzt.

Für ebay bedeutet das etwa 6 Millionen Provisionseinnahmen. Davon könnte man 1 Million EUR für die Moderation abzweigen, d.h. etwa 2% auf den Verkaufspreis. Das halte ich für darstellbar, wenn die Mehrkosten vom Plattformbetreiber und vom Anbieter hälftig getragen werden. Von den Einnahmen könnten etwa 10 bis 15 Vollzeitkräfte bezahlt werden, oder das andere Extrem, auf 450-Euro-Basis die zehnfache Menge an Personen, etwa 150 Rentner oder Berufstätige im Nebenjob, die abends und am Wochenende über delcampe gehen.

Die meisten Artikel sind im unteren Euro-Bereich. Beschränkt man die Moderation auf alle Artikel über 5 EUR Handelswert, sprechen wir über eine Artikelzahl im unteren Millionenbereich. Auf eine Vollzeitkraft würden etwa 1000 Artikel pro Tag zur Durchsicht entfallen, d.h. zwei Artikel pro Minute. Das reicht für eine schnelle Durchsicht aus. Eine ausführliche Begründung für eine Löschung kann natürlich unter diesen Bedingungen nicht geliefert werden.

Das ist erst einmal eine grobe Skizze, und an den Parametern lässt sich noch schrauben. Man kann z.B. den Schwellenwert für die Moderation auf 10 EUR erhöhen und hat dann mehr Zeit pro Artikel. Eine intelligente Software könnte die Kandidaten für die "Handkontrolle" liefern. So machen das seit Jahren die Finanzämter, die meisten Steuererklärungen werden nicht mehr durch einen Sachbearbeiter überprüft, nur dort, wo der Wachhund in Form einer Prüf-Software anschlägt, legt der Finanzbeamte noch Hand an und kontrolliert selbst.
 
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