Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 11.07.2020 11:45:23 Gelesen: 211492# 543@  
Liebe Freunde,

ein besonderes Highlight darf ich heute zum Spezialgebiet "Ulm - Neu-Ulm" zeigen: Ein Brief der Firma H. Berger aus Ulm vom 9.12.1850 ( !! ) an Firma Baader & Compagnie in Mittenwald, einen großen Instrumentenhersteller.



"Ulm a/D den 9. Decbr. 1850

Ihr Werthes vom 5ten d. M. kam mir mit einem Porto von 10x zu, obschon Sie franco auf der Adresse bemerkten, was aber wieder ausgestrichen wurde ...".

Der Brief vom 9.12.1850 zeigt einen Postaufgabestempel von Neu-Ulm vom 8.12.1850. War man bei der Überquerung der Donau schneller als das Licht gewesen?

Der Brief wurde als innerbayerischer Frankobrief bis 1 Zolloth inklusive (15,6g) über 12 Meilen mit 6 Kreuzern korrekt frankiert (Entfernung Ulm/Neu-Ulm bis Mittenwald 142 km = 19 Meilen. Zum Zeitpunkt der Versendung war Württemberg noch nicht im Postverein, hatte also auch keine Briefmarken und der Absender hätte mit seinem Brief zur Ulmer Post laufen müssen, dort anstehen und dann sich ausrechnen lassen müssen, was er kostet. Hierfür war der Postvertrag von 1809 gültig, der das halbe Münchener Loth (8,75g) als einfach ansah (der Brief wiegt nur 8,5g, das hätte also gepasst), aber er hätte 2 Kreuzer für Württemberg und 8 Kr. für Bayern gekostet, also 10 Kreuzer. Demnach haben hier beide Postverwaltungen Geld verloren - Württemberg, der Erstbetrogene, 2 Kreuzer und Bayern, der Zweibetrogene, ebenfalls 2 Kreuzer.

Ab dem Beitritt Württembergs zum DÖPV am 1.9.1851 hätte er von Ulm bzw. Neu-Ulm aus nur 6 Kreuzer gekostet, wobei er bei Postaufgabe in Neu-Ulm 1 Zollloth inklusive wiegen durfte, von Ulm aus nur 1 Loth exklusive.

Interessant auch, dass die Empfänger durchaus die Adresse lasen und auf Vermerke wie "franko" usw. Wert legten.

Wir praktisch immer ließ man in Mittenwald den Ankunftsstempel weg - auch eine Contravention und Geldersparnis, denn die Postexpeditionen hatten von der Materialverwaltung ihre Stempelfarbe- und Kissen zu beziehen und wenn man bei eingehenden Briefen das Abstempeln weg läßt, spart man sich 50% auch dieser Kosten.

Ich bin sehr froh, diese Oberrosine erwerben zu können - so macht das Sammlerleben Spaß.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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