Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
philast Am: 07.08.2020 15:43:06 Gelesen: 499352# 1827@  
Hallo,

anbei Beitrag [#1817] nochmals Bild und Texte zusammengefasst:

Nachfolgend ein Feldpost – Eilbrief vom 13.11.1918 12-1N aus Berlin nach Altenburg in Sachsen, dort angekommen am 13.11.1918 11-12N. Also wenige Tage nach Abdankung des Kaiser Wilhelms und der Ausrufung der (Weimarer) Republik. Freigemacht mit 25Pf für die Eilgebühr, als Feldpostbrief war er in der ersten Gewichtsstufe portofrei.

Geschrieben vom Garde Füsilier W.Schneider aus dem 3. Garde Füsilierregiment 8. Kompagnie an Johanna Storch in Altenburg.

Von den handelnden Personen war im Internet nichts weiteres zu finden.



Seite 1:



Berlin 13.11.18

Meine allerbeste Hannel!
Anbei sende ich dir die Ausarbeitung des
gewünschten Themas. Ich weiß zwar nicht, ob es
deinen Anschauungen genügt und ob ich es richtig
erfaßt habe. Leider ist es nicht sehr umfang-
reich geworden, da ich es etwas zusammen-
gedrängt habe. Ich habe mich gleich drüber gemacht,
damit die Arbeit zur rechten Zeit eintrifft, um
einmal richtig geprüft zu werden, denn
ich habe mich mit der Durcharbeit nicht recht be-
fassen können. Überhaupt habe ich nicht
gewußt, welche Arbeiten d. Frau im Kriege zu
leisten gehabt hat.
Liebe Hannel, hoffentlich hast du meine
Briefe erhalten, die dir Aufschluß über die
Berliner Lage geben. Jetzt muß ich dir mit-
teilen, daß ich keine Langweile mehr habe.
Im Gegenteil, Arbeit von Früh bis Spät
abends, da ich von der Kompagnie als Bei-
sitzender des Soldatenrates gewählt worden


Seite 2:



Bin. Anfangs sträubte ich mich mit Händen und
Füßen, doch konnte ich auf eine derartige Weise
das mit entgegengebrachte Vertrauen nicht herab-
setzen. Also ist meine Anwesenheit hier dringend
notwendig. Hoffentlich werde ich bald abgelöst.
Liebe Hannel, vergib mir, daß ich dir einen
derartigen Wisch vorzulegen wage. (Ich komme bald
auf Schwarzens Sprünge). Auf meine Schrift muß
du etwas milder beurteilen, nicht wahr? Es ist
ja schon spät abends!
Nun „Gute Nacht“ mein herzensguter
Spatz!
Es grüßt und küßt dich dein treuer
Willy.


Seite 3:



Frauenarbeit im Kriege.

Gedankengang
Einleitung: Der Krieg, ein Gebiet großer
Entfaltung der Frauenarbeit
Ausführung:
A. Leistungen der deutschen Frau auf
dem wirtschaftlichen Gebiete
1. Für unser Frontheer
2. Für die Verhältnisse des Innenlandes
B. Leistungen auf dem Gebiete der Liebestätigkeit
C. Leistungen auf dem Gebiete der Erziehung
Schluß: Ausblick

Seite 4:



I Einleitung: Es gibt eine alte Redensart, die besagt: eine
Frau sei umso mehr wert, je weniger von ihr gesprochen
würde. Und in der Tat gibt es zum Beispiel in der gesam-
ten Weltliteratur verschwindend wenige Dichtungen, die
von der Verherrlichung einer Frau berichten und die eben
vorhandenen, wie Gudrunlied usw., sind Jahrhunderte, ja
Jahrtausende alt. Man könnte aber mit gutem Grunde
von dem ebengesagten Satz gerade das Gegenteil behaupten,
wenn wir daran denken, welche überzeugende Anschauung
die deutsche Frau, die durch den Krieg auch eine Art Vater-
verteidiger(in) geworden ist und mit einer Eingebung
ohnegleichen ihren oft nicht leichten Posten ausfüllt, ver-
dient, daß man ihr Vertrauen schenkt und sie hoch einschätzen
muß. Sie muß wahrhaftig viel geleistet haben, daß man jetzt
so mit stolz auf sie blickt, darum ist es keine Zeitver-
schwendung, wenn im folgenden das Thema „Frauenarbeit im
Kriege“ eingehend erörtert wird.
II. Ausführung: Die erste Zeit nach der Mobilmachung hat
mit ganz besonders harter Hand in die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des deutschen Volkes hineingegriffen. Sehr viele
Maßnahmen, die voreilig ergriffen worden sind, machten
sich später von selbst wieder unnütz und wurden auf-
Gehoben. Und bis die neue Regelung erfolgte, geriet
vieles ins Stocken und viele Existenzen waren äußerst
bedroht. Die Betriebe, die für das Material
des Krieges sorgten, nahmen einen ungeheuren
Aufschwung, der auch die Tätigkeit der deutschen Frau
mit in Anspruch nehmen. Hier waren es namentlich
die Arbeiterfrauen. Ehe England daran dachte die Frauen


Seite 5:



zur Arbeit in den Geschoßfabriken zu bitten, waren in
Deutschland schon längst die Frauen zu hunderttausen-
den bei der Arbeit. Sie hatten ohne sich, wo ihre
körperlichen Kräfte es ermöglichten, an den Platz ge-
stellt, den der Mann verlassen hatte um mit dem
Gewehr in der Hand sich an den heiligem Kampfe des
Vaterlandes zu beteiligen.
Auch im Haushalt hat sie sich als rechte deutsche
Frau gezeigt. Die gesteigerten Preise für alle
Lebensmittel stellten naturgemäß an das wirt-
schaftliche Geschick der Frau doppelte Anforderung,
da sie vor allem den geringen Einnahmen
gegenüberstand. Hier hat die Frau wieder in
prachtvoller Weise eingegriffen, indem sie ge-
rade über die für die Wohlfahrt des Volkes in
Betracht kommenden Punkte durch Vorträge und
unentgeltliche Auskunft Ratschläge erteilte, und sie
bewahrte durch tatkräftiges Einschreiten den Unmittelten vor
Hunger und Elend. Tatsächlich ist der Frau
Gelegenheit gegeben, sich jetzt als wahre Künstlerin
auf dem Gebiete der Ernährung zu zeigen. Und so
lächerlich es auch klingen mag, ist ein Tag auf eben
diesem Gebiete genau so wichtig, wie ein Sieg, der
durch Blut und Eisen erfochten worden ist.
Wenn einmal die Geschichte dieses großen
Krieges geschrieben werden sollte, als ein Beweis
über die Leistungen unseres Volkes, so wird
auch ein Abschnitt von der Liebestätig der Frau
mit erörtert werden müssen
denn was auf diesem Gebiet von der
Frau geleistet worden ist und täglich noch wird,

Seite 6:



kann fast nicht ausgedacht werden. Das Arbeits-
feld auf diesem Gebiete ist ungeheuer umfang-
reich. An erster Stelle steht die berufsmäßige und
freiwillige Pflegerin der Verwundeten. Fast ebenso
bedeutend ist die Frau, die ihr Heim den tapferen
Feldgrauen zur Verfügung stellt und die Geberin,
die dem Roten Kreuz in großer Opferwilligkeit
die Geldmittel zusteuert. Hunderttausende, ja Milli-
onen sind dem Roten Kreuz durch die Sammel-
tätigkeit d. Frau zur Verfügung gestellt worden. Es ist
ja auch natürlich, denn das Empfinden der Frau
sehnt sich danach, denen die für das Vaterland
kämpften und litten, den Dank des Vaterlandes
darzubringen. Denken wir daran, wie die Deutsche
Frau in den Augusttagen 1914 Tage und Nächte in
den Bahnhöfen standen und mit erschöpften Gesichtern
den durchfahrenden hungrigen und durstigen Vater-
landsverteidigern Speise und Trank zusteckten, oder
denken wir an die unermüdliche Pflege an den schmer-
zenslagern der Verwundeten. Müssen wir denn
nicht vor ihnen den Hut abnehmen? Schade nur,
daß diesen tapferen Frauen nicht durch einen segensreichen
Frieden, wie wir ihn alle ersehnt hatten, diese Stunden
in denen sie gelitten und gearbeitet haben, gelohnt werden
konnte.
Eine große, vielleicht die größte Aufgabe, die vor
allem der deutschen Mutter zur heiligen Pflicht gewor-
den ist und einer Nation zu weiterem Aufstiege
zu helfen vermag, ist die rechte deutsche Erziehung
der Jugend, die jetzt heranwächst. Sie muss dahin


Seite 7:



wirken, daß sie ihre Söhne zu einer wahren
„Wacht am Rhein“ heranziehe, von der die Welt
weiß, daß sie unbesiegbar ist, damit der Friede
der Welt unter deutschem Schutze ruhen möge. Lei-
der haben die letzten Tage bewiesen, daß unsere
deutsche Mutter noch nicht ganz gerade dieser Auf-
gabe voll und ganz gewachsen war. Doch sie
muß sich weiter mit aller Energie das Ziel setzen, auch
noch in Zukunft in dem alten Geiste das Kind zu bilden
und zu leiten und sich nicht durch die hereinbrechen
Verhältnisse entmutigen zu lassen, denn ihre Söhne
haben ja gezeigt, was deutsche Kraft und Tapferkeit
gegen eine Übermacht vermocht haben. Dann wer-
den sich auch viele, die heute zusammengebrochen, auf-
raffen, werden mittun voll neuen Mutes und mit-
arbeiten am Bau des neuen Deutschlands, dann wer-
den sie nicht mehr verbittert und vergrämt beiseite stehen,
weil ihre Hoffnungen und Ideen zertrümmert am Boden liegen.


Ist schon erstaunlich mit was sich manche Soldaten auseinandergesetzt haben.

Ein Satz erschliesst sich mit nicht so ganz:
Auf Seite 2 heißt es:
Liebe Hannel, vergib mir, daß ich dir einen derartigen Wisch vorzulegen wage. (Ich komme bald auf Schwarzens Sprünge).

'Schwarzens Sprünge' sollte dies eine Redewendung sein, dann habe ich noch nie davon gehört und auch im Internet habe ich dazu nichts passendes finden können. Kann jemand etwas mit der Bezeichnung anfangen?

Grüße
philast
 
Quelle: www.philaseiten.de
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