Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 03.09.2020 14:00:28 Gelesen: 207541# 575@  
Liebe Freunde,

ein Brief für den sog. 2. Blick, also kein eye-catcher, oder etwas dergleichen, aber dennoch sehr nett, wenn man ihn zu interpretieren versteht.



Geschrieben wurde der Inhalt in Bruck bei Nürnberg und in Nürnberg selbst am 30.4.1847 und gerichtet war er an die Firma Johann Caspar Göhl seelige Erben in Hindelang.

Die Postaufgabe erfolgte aber in Erlangen am 1.5.1847 (Bruck liegt zwischen Nürnberg und Erlangen) und die Aufgabepost taxierte den Portobrief mit 10 Kreuzern in schwarzer Tinte. Luftlinie Erlangen - Hindelang 237 km = 31,6 Meilen = 12 Kreuzer über 30 bis 36 Meilen.

(Bad) Hindelang erhielt erst 1853 eine eigenen Postexpedition (PE), daher war die Entfernung in direkter Linie zwischen der Aufgabepost in Erlangen und der Abgabepost in Sonthofen (hinten Ankunftsstempel vom 4.5.) zu berechnen, die 236 km betrug, also praktisch gleich der nach Hindelang selbst war.

Wer auch immer die falschen 10 Kreuzer strich (für Briefe über 24 bis 30 Meilen), weiß ich nicht - evtl. war es Sonthofen selbst, denn wie es aussieht, strich dieselbe Hand die falschen 10 durch und notierte richtig 12 Kreuzer (ein sog. Portodefekt war selten damals) und übergab ihn dann einem konzessionierten Boten, der ihn für einen Kreuzer Botenlohn nach Hindelang trug (Entfernung Sonthofen - Hindelang = 8 km Laufstrecke, 6 km direkte Linie), weshalb letztlich J. C. Göhl 13 Kreuzer berappen durfte.

Geschrieben 1. Teil in Nürnberg, 2. Teil in Bruck, Aufgabe in Erlangen, falsch taxiert dort, korrigiert in Sonthofen und mit 1x Botenlohn nach Hindelang - das dürfte es auch damals nicht jeden Tag gegeben haben.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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