Thema: Altdeutschland Sachsen: Die Streichung entfallener Farben im Michel Katalog
modirawatleng Am: 11.09.2020 14:31:33 Gelesen: 13270# 24@  
Hallo,

zur Einschätzung des Vorgangs muss man meiner Ansicht nach das Verhältnis von Michel-Katalog und BPP genau betrachten:

1. Der Michel-Katalog notiert ausdrücklich aus dem "obersten Preissegment des Fachhandels" inklusive Steuern und Abgaben (und keine "Werte"!). Er tituliert sich als "neutral", weil er im Unterschied z.B. zu Stanley Gibbons nicht selbst mit Marken handelt. Stattdessen rühmt er sich der "Empfehlung" vom Bund Philatelistischer Prüfer e.V.

2. Die Prüfordnung des BPP wiederum macht explizit den Michel-Katalog zur Grundlage seiner "Feststellung[en] der Echtheit und Erhaltung von Briefmarken". Das heißt (1) dass BPP-Prüfer als Einzelpersonen (!) eigenverantwortlich ein Urteil abgeben, für das sie (2) hinsichtlich des Schadensersatzes haften. Grundlage sowohl der Kategorien der Beurteilung und der Frage von "richtig" und "falsch" als auch der Höhes des Schadensersatzes ist wiederum der Michel-Katalog.

Daraus ergibt sich, dass eine sehr ausdifferenzierte Einteilung von Unterschieden im Katalog dem "obersten Preissegment des Fachhandels" z.B. mit seltenen Farben große Einnahmen verspricht, aber für die BPP-Prüfer ein hohes Schadensersatzrisiko darstellen. Auch wenn die Abschnitte 4.2 und 9.2 der Prüfordnung einige Relativierungen hinsichtlich der Farbabgrenzungen enthalten, kann es nicht verwundern, dass auf BPP-Initiative einige Farbbezeichnungen aus dem Katalog verschwinden, wenn die Prüfer diese für nicht prüfbar erachten - diese Bezeichnungen stellen ein hohes Berufsrisiko dar.

Die Verärgerung von Sammlern über gestrichene Farben kann ich gut verstehen, aber sie ist auch der Ergebnis eines Anspruchs an Briefmarken-Prüfungen, die jedem Sachverstand widersprechen und der Bereitschaft, den Anpreisungen von Händlern zu trauen. Mit der Konstruktion der schadensersatzbewährten Feststellung von Echtheit und Erhaltung hat der BPP eine Stütze für das "oberste Preissegment des Fachhandels" erstellt, damit dieser eine Rechtfertigung für stark überhöhte Preise hat. Sich selbst gibt er damit eine hohe Bedeutung als Verband, aber eben auch ein hohes Risiko für seine Mitglieder.

Michel-Katalog und BPP erzeugen im Verbund die Illusion, bei Briefmarken handele es sich um hart und genau qualifizierbare Waren. Bei Sammlern erzeugt dies die Phantasie, man könne "investieren" und Gewinne realisieren. Doch der einzige Geldwert einer Briefmarke liegt in der Bereitschaft eines anderen, ihn zu zahlen - dafür sollte man sich nicht zu sehr auf Auskünfte Dritter verlassen.

modirawatleng
 
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