Thema: Tschechoslowakei Luftpost 1919 bis 1938
Detlev0405 Am: 19.09.2020 11:25:37 Gelesen: 132113# 212@  
@ molenaar [#211]

Hallo Tiem,

danke, dass du auch die Rückseite der Karte eingestellt hast. Bei Flugpostsendungen solltest du immer die Rückseite mit abbilden, auch wenn nichts darauf zu sehen ist. Das ist wichtig für die Beurteilung, ob und wie eine solche Karte per Luftpost befördert wurde.

Da du die Luftpost Aufkleber sammelst, zuerst einige Bemerkungen zu dem Aufkleber. Ihren Ursprung haben die Aufkleber in der Verfügung Nr. 52 des Amtsblattes des Ministeriums für Post und Telegrafen Nr.46 von 1920. Sie wurden für die Zielorte Paris, Straßburg, London und Warschau hergestellt. Gedruckt auf weißem Papier haben sie die Zähnung ¾. Der tschechische Text und französische war immer in rot gehalten, der Rand dagegen blau. [1]

Der Aufkleber war für alle Luftpostsendungen verpflichtend. Der Zettel wurde am Postschalter für eine Gebühr von 5 Heller abgegeben. Dadurch entstand bei der Berechnung der Luftpostgebühr ein Kuriosum – jeder Luftpostbeleg war eigentlich um 5 Heller wegen des Aufklebers „über frankiert“.

Solltest du an allen 4 Aufklebern im losen Zustand interessiert sein, setze dich mit mir in Verbindung – Mail Adresse ist hinterlegt.

Nun zur Karte als solches. Zweifelsfrei ist deine Karte von Prag nach Gravehage befördert worden. Stellt sich aber die generelle Frage – auf dem vorgezeichneten Luftpostweg oder auf dem Landweg direkt nach Gravehage.

Zur Frankatur und dem Porto hat dir dankenswerter Weise Rudi63 Auskunft erteilt. Das die Karte in Dvur Kralove geschrieben wurde und in Prag 1 abgestempelt wurde irritiert zwar etwas, ist aber durchaus möglich. Entweder hat der Absender sie selbst nach Prag gebracht oder aber das Postamt in Dvur Kralove hat die Karte wie vorgeschrieben direkt und sofort an das Postamt Prag 1 a weitergeleitet, ohne sie selbst zu stempeln. Mangels Erfahrungen um die Zeit halte ich solch eine Vorgehensweise durchaus für möglich. Das sind in meinen Augen die Fakten, die für eine Luftpostbeförderung sprechen.

Kommen wir zu den Argumenten die gegen eine Luftpostbeförderung sprechen. Ab April 1921 war das Luftpostamt am Prager Flughafen im Einsatz. Mit dem Tagesstempel wurde sowohl am Flughafen auf gelieferte Post abgestempelt als auch durchlaufende Post vom Postamt Prag 1. [2]

Nach Horka war dieser Stempel bis zum Jahre 1934 im Einsatz. [3] Bleibt als einziger Hinweis der violette Rahmenstempel in tschechisch und französisch zur Luftpostbeförderung, der am Prager Flughafen angebracht werden konnte. Es handelt sich nach Horka um den Stempel RV2b. Es wird dort aber ausdrücklich darauf verwiesen, das dieser Stempel auf Auslandssendungen gefälscht wurde. [4] Das sind aber Mängel (besonders der fehlende Tagesstempel vom Prager Flughafen), die in der tschechoslowakischen Luftpost oft vor kamen, also auch bei deinem Beleg möglich waren.

Das Kardinal Problem an dem Beleg ist der fehlende Durchgangstempel in Paris. Normaler Weise erhält ein Luftpostbeleg bei Ankunft in Paris einen Ankunftsstempel. Viel wichtiger ist aber, das es sich um einen nachweispflichtigen Beleg handelt – um ein Einschreiben. Und auch das wurde in Paris nicht quittiert, wohl aber in Gravehage. Und da sind Zweifel wohl angebracht.

Keine Angst, meine offenen Fragen zu der Karte machen diese nicht wertlos. Als Prüfer würde ich dir die Karte mit meinem Text zurück schicken und mit der Bemerkung „Beleg nicht prüfbar“. Und das geht leider vielen Luftpostbelegen aus der Zeit so. Einschreiben ohne Transit – oder Ankunftsstempel aus dieser Zeit bleiben immer fragwürdig.

Gruß
Detlev

[1] Mahr/Vouhsem – Die Geschichte der Tschechoslowakischen Flugpost, Teil 2, Seite 66
[2] ebenda Seite 85
[3] Horka – Tschechoslowakische Luftpost 1918 – 1939, Seite 177
[4] ebenda Seite 188
 
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