Thema: Sind die Michel Kataloge zu teuer geworden ? Welche Alternativen gibt es ?
drmoeller_neuss Am: 06.11.2020 13:01:44 Gelesen: 18011# 30@  
"Die Kataloge sind ständig teurer geworden, aber auch immer umfangreicher und besser" - teurer und unfangreicher, das stimmt, "besser", da muss ich widersprechen. Zu meiner Jugendzeit konnte man sich auf die Katalogpreise halbwegs verlassen, der Handel hat irgendwo zwischen 80-90% verkauft, von privat an privat lief um 50% Michel. Tauschen auf "Michel-Basis" war problemlos möglich, das hat selbst bei Frankaturware noch funktioniert.

Heute muss man zu "Ausgleichsfaktoren" greifen, teilweise Faktoren zwei oder drei. Wer tauscht China 1:1 gegen bessere "Deutsches Reich"? Und wer Frankaturware gegen nicht frankaturgültige Marken auf Michel-Basis tauscht, macht unweigerlich einen erheblichen Verlust.

Natürlich gibt es eine Spanne bei der Qualität, aber bei modernen Marken kann es nicht sein, dass selbst 10% Michel schon überteuert sind. Ich habe in den letzten Jahren schon häufiger Posten für unter 1% Michel-Katalogpreis erworben. Der Katalog hat eine wesentliche Funktion verloren: die Information über den Handelswert einer bestimmten Briefmarke.

Diese Information hole ich mir über andere Kanäle, neben der Marktbeobachtung suche ich gezielt auf ebay nach "verkauften Artikeln", wohl wissend, dass diese Preise auch schon optimistisch sind, da viele Artikel gar nicht verkauft werden.

Der Schwaneberger Verlag steht in einem Dilemma, dass er seine Mannschaft und seine Geschäftstätigkeit finanzieren muss. Früher waren die Deutschland-Kataloge ein Selbstläufer, mit einer Viertelmillion Auflage haben die Standard-Kataloge den Verlag finanziert, so dass man sich über den Deckungsbeitrag des ein oder anderen "exotischen" Kataloges keine Gedanken machen musste.

Seit ein paar Jahren fährt der Verlag eine andere Strategie und lässt sich die Aktualität sehr gut bezahlen. Damit werden die Händler angesprochen, die aus Gründen der Rechtssicherheit auf den neusten Katalog angewiesen sind. Sammler bekommen die vorherige Auflage aus dem gleichen Verlag zum "Schnäppchenpreis" angeboten. Seit Monaten schaltet der Schwaneberger Verlag in der Vebandszeitschrift "Philatelie" ganzseitige Anzeigen, in denen nagelneue Kataloge zum halben Preis angeboten werden. Betriebswirtschaftlich spricht man hier von "Kannibalismus". Es ist das gleiche wie der Bäcker, der sein Brot vom Vortag zum halben Preis anbietet, mit dem Erfolg, das niemand mehr frisches Brot kauft, denn jedes Brot ist nach wenigen Scheiben am nächsten Tag altbacken. Deswegen machen das nur wenige Bäcker, und verschenken übrig gebliebene Backwaren lieber an die Tafeln.

Ich möchte dem Verlag nicht unterstellen, dass man absichtlich eine höhere Auflage druckt, um nach einem Jahr mit dem halben Verkaufspreis immer noch einen akzeptablen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. In der Textil- und Mode-Branche ist das gang und gebe, ich habe es in Asien selbst erlebt, wie "Sommerschlussverkaufsware" produziert wurde, ganz praktisch, mit bereits eingenähten Etiketten "Sale" und durchgestrichenen Preisen.

Solange der Handel das Spielchen des Schwaneberger Verlages mitmacht, ist alles in Butter. Ich kenne aber auch einige Händler, die keine neuen Kataloge mehr kaufen. Bei einem Handelswert der meisten Briefmarken unter 10% spielen geringe Preisänderungen keine Rolle. Früher ging die Rechnung für viele kleine Händler auf, die nach einem Jahr ihre gebrauchten Kataloge mit einem Abschlag von einem Drittel an ihre Kunden verkauft haben. Das kann natürlich nicht mehr funktionieren, wenn der Verlag nagelneue Kataloge nach einem Jahr in Konkurrenz zum halben Preis anbietet.

Der Verlag kann gegen den allgemeinen Rückgang in der Philatelie nichts machen. Um zu überleben, muss er die Kosten senken. Ich würde die Neuheitenkatalogisierung auf die wichtigsten Sammelgebiete beschränken und im Übersee-Bereich mit anderen Katalogherstellern zusammenarbeiten.

Sammlern, denen die Kataloge zu teuer sind, kann man nur empfehlen, ältere Kataloge zu erwerben. Der Schwaneberger Verlag macht es einfach, und bietet Kataloge aus der vorletzten Auflage zum halben Preis an, ohne das Risiko eine abgegraptschte, klibbrige Schwarte von privat zu erwerben.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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