Thema: Portobestimmung von Belegen: Altdeutschland Bayern - Schweiz
bayern klassisch Am: 19.11.2020 11:56:03 Gelesen: 24260# 78@  
Liebe Freunde,



heute zeigen ich ein kleines Schmankerl von innen und außen. Verfaßt wurde der einfache Brief am 2.4.1863 in Sibratshofen, etwa 7 km östlich der Aufgabepost von Harbatzhofen gelegen. Sibratshofen bekam erst 1897 eine Postagentur, weil sein Korrespondenzaufkommen zu gering war, als dass man eine Expedition einrichten wollte.

Der Brief von Benedict Mader war an Martin Brugger in Berlingen/Schweiz am Bodensee im Kanton Thurgau gerichtet. Am 4.4.1863 wurde er mit 3 Kreuzern frankiert aufgegeben - weitere Stempel existieren nicht.

Problem: Von Aufgabeort bis zum Abgabeort waren es Luftlinie 73 km, also über 5 Meilen (37,5 km), für die 3 Kr. als Grenzrayonbrief ausgereicht hätten. Von Sibratshofen, auch wenn das nicht relevant ist, waren es noch 7 km mehr, der Brief wurde also näher an der Schweiz aufgegeben. Von daher war es ein unterfrankierter Brief aus dem 1. bayer. Rayon zur Schweiz in den 1. Schweizer Rayon. Da es nach dem Postvertrag vom Okt. 1852 mit Modifikation zum 1.9.1859 keine Portozuschläge gab, hätte man mit nur 3 Kreuzern die bayer. Strecke frankiert, die Schweizer Strecke aber nicht und es wären 3 Kreuzer = 10 Rappen Porto beim Empfänger zu zahlen angefallen.

Vlt. trug der Zusatz "bei Constanz" zu diesem Fehler bei, denn von Harbatzhofen nach Konstanz waren es nur 68 km, also 9 Meilen und dafür wäre er als Postvereinsbrief bis 10 Meilen korrekt frankiert gewesen. Aber Berlingen lag 12 km westlich von Konstanz und selbst wenn es noch in Baden gelegen hätte, wäre es dann auch ein unterfrankierter Brief gewesen, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Weder die bayer., noch die Schweizer Post erkannten den Fehler und sollte er tatsächlich über Konstanz in Baden gelaufen sein, hätte man den Fehler auch dort nicht bemerkt und lieferte ihn kostenlos dem Empfänger aus.

Inhalt des Briefes (auch nicht uninteressant für uns moderne Menschen):

"Für die mir mit Ihrer Rechnung vom 27ten Porto, welche mir aber erst heute zugekommen ist, beigefügte frühere Rechnung vom 6ten November 1861, bin ich Ihnen sehr verbunden, musß Ihnen aber anderseits bemerken, daß mir diese Sendung, welche ich erst gegen Ende May bestellt habe sehr mißbeliebig ist, und besonders auch die Qantitäten dieser 3. Gattungen Wein bei Weitem meiner Bestellung übersteigt; daher ich in keiner gewöhnlichee Zahlungszeit eingehen, noch viel weniger die Verbindlichkeit der Zurücksendung der lelren Fäßer binnen 4. Monaten, oder agr eine Vergütung von f 50 (50 Gulden) hiefür über mich nehmen kann, welches ich Ihnen hiemit, und allenfallsigen Unannehmlichkeiten zu begegnen, erklärt haben will; und verbleibe übrigens mit Ergebenheit und Freundschaft Benedikt Mader.

N.S. Soeben werde mir obige 3. Fäßer überliefert, worauf ich f 2 (2 Gulden) Nachnahme bezahlen mußte. Die Inlage wollen Sie gfl (geflissentlich) besorgen."

Liest man allein diese Daten (April 1863 Erhalt der Rechnung von Nov. 1861) usw, kann man das fast gar nicht glauben. Es gab da wohl einigen Ärger zwischen diesen Firmen, aber das hielt unseren Absender nicht davon ab, dem Brief noch einen weiteren Brief beizufügen (Inlage), die dieser dann "besorgen" = auf der Post in Berlingen aufgeben soll.

Wahrlich ein Brief, der von außen und innen zu beeindrucken weiß und der gM 197 von Harbatzhofen ist auch nicht gerade Massenware.

Liebe Grüsse von einem begeisterten bayern klassisch
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/10117
https://www.philaseiten.de/beitrag/250156