Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 26.02.2010 08:33:54 Gelesen: 1299843# 362@  
Strategien in der Briefmarkenpolitik - Die Post der Schweiz und Liechtensteins im Vergleich

Von Jakob Kubli

Neue Zürcher Zeitung, NZZ (10.02.10) - Die elektronische Post bedrängt zunehmend den konventionellen Brief. Demzufolge ist auch das Briefmarkengeschäft erheblich zurückgegangen. Mehr noch als die Schweiz leidet Liechtenstein unter den Entwicklungen.

Die Schweizerische Post hat bei den Briefen im Zeitrahmen 2002 bis 2010 durchschnittlich einen Rückgang des Umsatzvolumens von 2 Prozent pro Jahr zu verzeichnen. Der konventionelle Brief wird weltweit zunehmend von der elektronischen Post (E-Mail, SMS) bedrängt. Die Bedeutung des Briefmarkengeschäftes ist demzufolge erheblich zurückgegangen. Während die Post vor zwanzig Jahren noch über 192 000 Abonnenten mit Schweizer Briefmarken in rund 100 Ländern bedienen konnte, waren es 2008 noch rund 63 000. Einen noch stärkeren Rückgang erlebte das Fürstentum Liechtenstein, das in den achtziger Jahren über 20 Millionen Briefmarken in alle Welt verschickte und dabei einen Umsatz von 20 Millionen Franken erzielte. Heute hat Liechtenstein noch rund 40 000 Abonnenten in 65 Ländern.

Die Briefmarke als Produkt

Seit die Post im Sommer 2002 ihre Wertzeichendruckerei geschlossen hat, gibt es in der Schweiz keine eigentliche Briefmarkendruckerei mehr. Die jetzigen Schweizer Wertzeichen stammen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Grossbritannien, Australien, der Volksrepublik China und den USA. Der Trend geht heute zu mehr Wirtschaftlichkeit auf Kosten der Qualität.

Die Philateliedienste setzen nun professionelle Marketing- und Verkaufstechniken ein. So wurde die Briefmarke zum Produkt. Sie soll die kulturelle Vielfalt des Landes repräsentieren und ein breiteres Publikum ansprechen. Die Marken inspirieren sich an der Welt des Sports (Roger Federer, Fussball-Europameisterschaft 08), am täglichen Leben, an Medienereignissen und der Jugend (Globi, Diddl, Prinzessin Lilli).

Augenfällig wird die Stilveränderung an den Pro-Juventute-Marken vom Dezember des vergangenen Jahres. Auch bei diesen Zuschlagsmarken ist die Auflage in den letzten Jahren massiv zurückgegangen. Die Stiftung hat sich entschlossen, als Sujet eine Art Schattentheater zu präsentieren, das ihre Dienstleistungen aufzeigt. Die Meinungen sind in Fachkreisen geteilt. Die Schweizerische Post gab ausserdem ausländischen Künstlern die Gelegenheit, die Schweiz aus ihrer Sicht auf einer jährlichen Serie darzustellen. So sind seit 2006 Serien von Künstlern aus Frankreich, Grossbritannien, Italien und Deutschland erschienen, die oft etwas ironisch, mit einem Augenzwinkern, aufzufassen sind. Der Gewinn im Briefmarkengeschäft konnte im vergangenen Jahr nur gehalten werden, weil mit «Extras» das Versandgeschäft mit Qualitätsprodukten (Souvenir und Geschenkartikel), die mit Philatelie nichts zu tun haben, weiter ausgebaut wurde. Seit Januar 2010 ist der Bereich Briefmarken und Philatelie der Post der Sparte Poststellen und Verkauf angegliedert worden.

Weltneuheit in Liechtenstein

Während im Fürstentum Liechtenstein der Wertzeichenverkauf in den fünfziger Jahren noch einen erheblichen Teil der Staatsausgaben finanzierte und den Ruf Liechtensteins als «Land der Briefmarken» begründete, vermochten die Einnahmen an der Schwelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts kaum mehr die Aufwendungen der Wertzeichenstelle zu decken. Die Bedeutung des Briefmarkengeschäftes ist gegenüber früher erheblich zurückgegangen, so dass sich die Regierung veranlasst sah, das Briefmarkengeschäft zur Staatsaufgabe zu erklären. Die Briefmarke ist ein wertvolles Kulturgut, das ein Publikum braucht, das sich damit identifizieren kann. Man übt nun eine eher zurückhaltende Ausgabenpolitik aus mit 30 bis 35 Marken pro Jahr (die Schweiz 45 bis 50 Marken). In kaum einem anderen Land haben die Briefmarken einen so engen Bezug zum Land wie in Liechtenstein.

Mit den kleinsten europäischen Postverwaltungen Aaland, Färöer, Gibraltar, Guernsey, Island, Isle of Man, Jersey, Luxemburg, Malta, Monaco und San Marino hat man 2007 eine Kooperation geschlossen. Jährlich wird in diesen Ländern eine Gemeinschaftsmarke mit einer besonders schönen Landschaft des jeweiligen Landes herausgegeben.

Im vergangenen Jahr ist es dem Fürstentum Liechtenstein gelungen, erstmals seit der Einführung von Liechtensteiner Briefmarken im Jahre 1912 eine Marke zu entwickeln, die komplett in Liechtenstein hergestellt wurde. Es handelt sich um eine perforierte Selbstklebe-Briefmarke mit einer Schlitzung. Selbstklebe-Briefmarken werden in der Schweiz schon seit 1996 herausgegeben. Liechtenstein hatte bisher darauf verzichtet, weil sie bei den Philatelisten nicht beliebt sind. Nun ist es der Druckerei Gutenberg AG in Schaan nach längerer Vorbereitung gelungen, eine Selbstklebemarke mit echter Perforation zu entwickeln. Dank dieser Perforation wirken diese Marken nicht wie Abziehbilder. Die neu entwickelte perforierte Marke Liechtensteins ist somit eine Weltneuheit und wird inskünftig für Dauermarken produziert. Sondermarken bleiben weiterhin nassklebend.

Wer ist erfolgreicher?

Beide Postdienste gehen neue, aber unterschiedliche Wege um die Briefmarkentradition zu erhalten und gleichzeitig kostendeckend zu sein. Die Schweizerische Post setzt auf marktwirtschaftliche Massnahmen, indem sie mehr günstig produzierte Marken an ein möglichst breites Publikum abzusetzen versucht. Im Gegensatz dazu steht das Fürstentum Liechtenstein, das auf Innovation und Kooperation setzt und somit hofft, beim Sammler attraktiv zu bleiben. Die Zukunft wird zeigen, welches Modell mehr Erfolg in philatelistischer und kommerzieller Hinsicht haben wird.

(Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/strategien_in_der_briefmarkenpolitik_1.4891994.html )
 
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