Thema: Handrollstempel, ungewöhnliche und seltene Beispiele
filunski Am: 20.12.2020 15:13:10 Gelesen: 356099# 1249@  
@ Pete [#1248]

"Der Beleg wurde ebenfalls in [1] gezeigt, dort allerdings bisher ohne eine Reaktion (Antwort)."

Hallo Pete,

ja, lag wohl daran, dass sich bei dem heiklen Thema keiner aufs Glatteis wagen wollte. ;-)

Der Beleg ist in der Tat eigenartig. Kein Wunder bei der Quelle aus der du ihn hast. Tuffi hat und hatte dafür schon immer eine Ader, vor allem aber auch ein Auge, mehr als sonst jemand!

Ich werde mal versuchen, auch wenn ich mich damit "aufs Glatteis begebe" das Ganze zu kommentieren. Irgendwer wird mir schon wieder hoch helfen, sollte ich ausrutschen.

Du hast Recht, es ist (normalerweise) eine Standard (nicht Universal) Stempelmaschine. Die Halbstempelmaschinen kennen wir normalerweise nur mit einem austauschbaren Entwerter, Wellen oder Werbeklischee. Klüssendorf hat jedoch ein Modell so umgebaut, dass sowohl rechts oder links vom Stempelkopf ein Entwerter eingesetzt werden konnte, oder auch beidseitig. Solche Maschinen waren nur an wenigen Orten im Einsatz. Recht häufig findet man solche Abschläge aus Kiel, Schwerin, Saarbrücken, das du schon genannt hast, aber auch noch aus Ingolstadt, Neumarkt i.d.OPf und noch einigen wenigen anderen Städten.

Normalerweise waren die Maschinen so eingestellt, dass der Stempelabschlag vom Abstand zum oberen Brief-/Kartenrand ungefähr so erfolgte wie es der obere Stempel auf deinem Beleg aus Weiden zeigt. Man konnte das aber auch verstellen. Ob das tatsächlich so weit verstellbar war, dass die Maschine auch den bei deinem Beleg unteren Stempel anbringen konnte, kann ich nicht sagen. Es wäre auf alle Fälle außergewöhnlich.

Wir kennen aus der Forschung zu den Handrollstempeln, neben den bekannten Sylbe Walzen aus Leipzig, Frankfurt und München, die zu Handrollstempeln umgebaut wurden noch ein paar Beispiele bei denen ein solches Vorgehen nahe liegt. Auch untereinander haben wir da Einzelfälle durchaus kontrovers diskutiert und nicht immer einen gemeinsamen Schluß gefunden.

Es gibt auch Fälle, bei denen findige "Bastler" (durchaus in offiziellem Auftrag) Halbmaschinenstempel (Kopf und Entwerter) auf Handgeräte montiert haben und damit fast ausschliesslich Sammlerbelege "hand-maschinen-gestempelt" haben. Man erkennt diese recht gut an der Position des Stempelabdrucks irgendwo weit im inneren des Belegs, wo keine, noch so findig verstellte Maschine hinkommt. Insbesondere in der DDR war das eine beliebte Praxis.

Nun zurück zu deinem Beleg. Auch hier könnte man solch ein Vorgehen vermuten. Was mich allerdings skeptisch macht und mich in diesem Fall nicht an ein solches Vorgehen glauben lässt ist ein anderes Indiz auf dem Beleg.



Rot markiert sieht man am linken Rand die Wellen des Entwerters vom nächsten Abschlag. Das ist typisch für Maschinenstempel wo bei entsprechend großen (breiten) oder überlappenden Belegen der nächste Abschlag noch seine Spuren hinterlässt. Für mich eigentlich ein sicherer Hinweis für einen Maschinenabdruck und kein Handroller oder was selbst konstruiertes. Vielleicht war dort in Weiden ja ein findiger "Maschinist" (Techniker) tatsächlich in der Lage, die Standard-Maschine so einzustellen, dass in einem zweiten Durchlauf der untere Stempel so wie zu sehen aufgebracht wurde.

Auf alle Fälle, kein alltäglicher Vorgang und durchaus eine Besonderheit die zur Spekulation anregt.

Ich lasse mich gerne widerlegen, sollte jemand mehr dazu wissen. ;-)

Viele Grüße,
Peter
 
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