Thema: Torsten Berndt heuert bei Thomas Schantl an !
Jürgen Häsler Am: 03.04.2021 21:44:17 Gelesen: 5569# 34@  
Torsten Berndt heuert bei Thomas Schantl an !

@ lueckel [#32] und spain01[#33]

Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen und die österliche Ruhe zu stören:

Ich finde diese Nachricht hochinteressant und bin froh, dass Richard Ebert [#1] solche Themen als redaktionelle Beiträge ins Forum stellt.

Warum ist -aus meiner Sicht- (das kann und darf jede und jeder natürlich völlig anders sehen !) so etwas wichtig ?

Torsten Berndt ist -neben Wolfgang Maaßen, Michael Burzan und einigen anderen- einer der wichtigsten Autoren und "Macher" der philatelistischen Fachpresse. Wenn er nach mehr als einem Jahrzehnt den Philapress Verlag (und damit den BRIEFMARKEN SPIEGEL und die DBZ) verlässt und zu Thomas Schantl nach Konstanz wechselt, dann ist das für mich nicht nur eine Nachricht wert, sondern gibt auch Einblick in den "Strukturwandel" in der Philatelie.

Ich werde Torsten Berndts Beiträge (und Vorworte !) im BRIEFMARKEN SPIEGEL vermissen, waren sie doch nahezu stets ein Garant dafür, meine Gefühlslage in "Wallung" zu bringen.

Während ich z.B. bei der (hervorragenden) Berichterstattung von Dr. Hartmut Paetzold über das Sammelgebiet BUND ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass der Autor bei der abschließenden "Wertung" der vorgestellten Fakten meine eigene Meinung trifft, hatte Torsten Berndt das Talent, oft das genaue Gegenteil meiner eigenen Überzeugungen kundzutun. Er hat das aber stets fundiert und sachlich begründet getan, sodass ich gezwungen war, mich mit seiner gegenteiligen Meinung gründlich und intensiv auseinanderzusetzen. Bei mir hat das nicht selten zu einem Erkenntnisgewinn geführt, der weit über die Kenntnisnahme von Fakten hinausging und meine "Meinungsbildung" in bester Weise befördert hat. Torsten Berndt wünsche ich deshalb "Alles Gute" an seinem neuen Arbeitsplatz.

Einige Forumsleser haben den beruflichen Wechsel von Herrn Berndt zu Thomas Schantl zum Anlass genommen, sich mit den "Aktivitäten" der Unternehmen seines neuen Arbeitgebers und deren Werbung für verschiedene philatelistische und numismatische Sammelgebiete zu befassen. Das ist aus meiner Sicht legitim, jedoch sollte man dabei Fairness walten lassen, denn wo "Schattenseiten" sind, da ist immer auch Licht vorhanden.

Zunächst kenne ich den Schantl-Verlag durch seine Plattenfehlerkataloge, die eine Bereicherung für die Philatelie sind und waren. Es ist doch wunderbar, wenn durch die Suche nach Plattenfehlern eine intensive Beschäftigung von Sammler*innen mit dem Markenmotiv gefördert wird und sich so auch das "Besondere" bei moderner, auflagenstarker "Massenware" (das soll nicht abwertend gemeint sein) finden lässt.

Die von modirawatleng in Beitrag [#4] kritisierte "Werbung" ist leider tatsächlich ein klassischer "Rohrkrepierer".

Während Frage 1 der "Repräsentativen (wirklich ???) Sammlerumfrage" aus meiner Sicht nicht zu beanstanden ist und Frage 2 (wie Quincy in Beitrag [#6] zu Recht feststellt) eine (nicht vorhandene) "Werthaltigkeit" der beworbenen Letztausgaben des Dritten Reiches suggerieren soll, hat es Frage 3 wirklich in sich, denn die dort getroffene (falsche) Aussage ist ein "Politikum" ersten Ranges.

Wer sich für das Thema "Finanzielle Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag" interessiert, findet unter dem Link

https://www.bundestag.de/resource/blob/413322/4c3fffa7b1de4151be9641a8254f6f30/WD-1-088-08-pdf-data.pdf

eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu diesem Thema.

Der WD ist eine der seriösesten Quellen, die ich kenne.

Die Ausarbeitung aus dem Jahr 2008 geht auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann an die Bundesregierung zurück.

Wer die 16 Seiten gelesen hat, ist anschließend bestens über die Auslandsanleihen des Deutschen Reiches in der Weimarer Republik informiert.
Dawes-Anleihe von 1924, Young-Anleihe von 1930, "Zündholz-Anleihe" (Kreuger-Anleihe von 1930) und die nachfolgende Entwicklung im Dritten Reich und im Londoner Schuldenabkommen von 1952/1953 und die Zins- und Tilgungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland werden ausführlich erläutert und beleuchtet.

Wer die 16 Seiten nicht lesen will, dem sei das Fazit der Ausarbeitung (Seite 15) zur Lektüre empfohlen:

"Die sporadisch in der Öffentlichkeit –vor allem aus rechtsextremen Kreisen, etwa in einschlägigen Internet - Foren - erhobene Behauptung, Deutschland zahle immer noch Reparationen auf der Grundlage des Friedensvertrages von Versailles, ist sachlich falsch. Diese Behauptung ignoriert den tatsächlichen historischen Kontext der in der Weimarer Republik aufgenommenen und von der NS – Diktatur nicht bedienten Auslandsanleihen, von denen zwei mittelbar und eine nicht im Zusammenhang mit den Reparationszahlungen standen. Die Anleihen sind Verhandlungsgegenstand des Londoner Schuldenabkommens von 1953 gewesen. Die Anleihen sind seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts zurückgezahlt, die aufgelaufenen Zinsrückstände werden seit der Wiedervereinigung bedient und werden 2010 ebenfalls zurückgezahlt sein."

Nun könnte sich der neugierige Leser noch die Frage stellen, ob die (historisch falsche) Aussage in der Werbung (zitiert in [#4]) auf eine "rechtsextreme Gesinnung" schließen lässt oder doch eher auf schlampige journalistische Arbeit.

Ich denke, dass Letzteres der Fall ist, denn schon das Handelsblatt, welches "rechtsextremer Umtriebe" sicherlich unverdächtig ist, gibt den historischen Sachverhalt (zitiert in Beitrag [#15]) in seinem Artikel völlig falsch wieder.

JEDE und JEDER schreibt von ANDEREN ab, und die Prüfung von Texten aus der Sekundärliteratur ist extrem mühselig und zeitaufwendig. Sprich, das macht ARBEIT.

Spätestens, wenn der Chef hinter einem steht und die Frage stellt:

"Sind Sie mit dem neuen Werbeflyer immer noch nicht fertig? Wie lange brauchen Sie denn noch? Sie sollen hier aber keine Doktorarbeit verfassen!" entscheidet sich jeder vernünftige Mensch, "fertig" zu werden und auf weitergehende Prüfungen von komplexen Sachverhalten zu verzichten.

Wenn dann auch noch im Rahmen einer philatelistischen Auktion NS-Devotionalien versteigert werden (siehe Beitrag [#22], mich persönlich befremdet und irritiert das enorm), dann kann zusammen mit so einer "verunglückten" Werbung schnell ein verheerender Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen. Und der ist dann definitiv geschäftsschädigend.

Anders sieht das im Münzbereich aus. Da grenzt die Werbung von Primus schon an Verbrauchertäuschung.

drmoeller_neuss kritisiert in Beitrag [#13] völlig zu Recht die Werbung der Primus GmbH im numismatischen Bereich. Dieser Kritik kann ich mich nur vollumfänglich anschließen. Über die Werbung der Primus GmbH und der Gavia GmbH informiere ich regelmäßig mit einigen deutlichen Worten in den Jahreshauptversammlungen und sogar den Adventsfeiern des BSC Villingen. Diese Thematik gehört aber eigentlich ins Münzforum und würde für einen abendfüllenden Vortrag ausreichen.

Allerdings muss man neidlos anerkennen, dass die Unternehmen von Thomas Schantl in den letzten Jahren im numismatischen Bereich jeden Sammlertrend/Sammlermode/Sammlerboom (positiv formuliert) bzw. Sammler-Hype (negativ formuliert) erfolgreich bedient haben, woraus sich das enorme Wachstum der Unternehmen erklärt. Den Boom bei Polymermünzen (verursacht durch den Wertzuwachs der 5-Euro-Münze Blauer Planet Erde und den Erfolg der Folgeausgaben zu den "Klimazonen") und den Boom bei Goldmünzen (verursacht durch den starken Anstieg des Goldpreises) hat man erfolgreich mit "Eigenausgaben" "mitgenommen".

Hier hat man eine enorme Kreativität entwickelt. Man lässt einfach in Münzprägestätten echte Münzen (2-Euro-Münzen eignen sich von der Größe) mit einem "Plastikring" ummanteln und "kreiert" "Polymer-Gedenkprägungen" aller Art. Ebenso einfach lassen sich colorierte "Gedenkausgaben" herstellen, die offenbar auf ein dankbares und kaufwilliges Sammlerpublikum treffen. Sogar die Münze Deutschland hat diesen Sammeltrend mittlerweile mit 3 Ausgaben (100 Jahre Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold, Münchhausen, 50 Jahre Sendung mit der Maus) bedient.

Gold ist gefragt. Und es lässt sich zu hauchdünnen Goldfolien walzen. Kein anderes Metall lässt sich zu dünneren Folien verarbeiten. Der neuseeländische Physiker Ernest Rutherford (Nobelpreis für Chemie 1908) beschoss in seinem legendären Streuversuch eine Goldfolie mit einem Durchmesser von nur einem halben Mikron (halbes Tausendstel Millimeter) mit Alpha-Teilchen und entdeckte so den Atomkern.

Was liegt also näher, als hübsche Goldfolien im Gewicht von 62,2 Milligramm (1/500 Unze) als "Goldmünzen" unters kaufwillige Sammlervolk zu bringen ? Materialwert aktuell EUR 2,94 bei einem Verkaufspreis von EUR 10,--.

drmoeller_neuss irrt übrigens, wenn er in seinem lesenswerten Beitrag [#13] schreibt, dass auf den "Tschad-Münzen" von Primus die Angabe des Gewichtes fehlt. Die steht auf der "Münze" unterhalb des (der Krügerrand-Münze nachempfundenen) südafrikanischen Springbocks. Die Bildseite der "Münze" ist bildfüllend wiedergegeben, der Durchmesser ("Riesige 16 mm Durchmesser") ebenfalls.
Die Dicke von Münzen ist hingegen keine Pflichtangabe.

Fazit: Raum für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung kann ich nicht erkennen, dem weiteren Wachstum von Primus steht also nichts im Wege.

Es macht die Sache auch nicht besser, wenn APHV-Mitglied Borek aus Braunschweig zu den gleichen unredlichen Werbemethoden im Münzsektor greift.

Korrekt. Doch dass ein Wettbewerber und wichtiger Player im Münzenmarkt wie Borek das Geschäftsgebaren von Primus nachahmt, zeigt doch nur, wie erfolgreich diese Methode im Markt funktioniert.

Frohe Ostern wünsche ich nun allen Leserinnen und Lesern im Forum, verbunden mit einem Dankeschön an Brigitte Ammon, Richard Ebert und allen Mitarbeiter*innen von philaseiten für die Möglichkeit, an den Feiertagen die vielen spannenden und interessanten Beiträge lesen zu können und auf den Seiten der PPA Philaseiten Auktion stöbern zu können. Philatelie und Numismatik machen die coronabedingten Einschränkungen etwas erträglicher.

 
Quelle: www.philaseiten.de
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