Thema: Portobestimmung von Belegen: Altdeutschland Bayern - Schweiz
bayern klassisch Am: 08.04.2021 14:19:22 Gelesen: 21998# 80@  
Liebe Freunde,

von außen eher harmlos, von hinten und innen aber ganz sicher nicht:



Die Firma Beat Hurter aus Schaffhausen wollte einen einfachen Brief an ihren Kunden J. A. Schenkenhofer in Augsburg versenden und prüfte nun die Möglichkeiten des Versandes.

Da nach praktisch allen uns bekannten Postgesetzen des 19. Jahrhunderts die verschlossenen Briefe im Land ihres Absenders der Post zum Transport zu übergeben waren, hätte man am 21.1.1869 den Brief dem dortigen Postamt, frankiert, oder unfrankiert, aufgeben müssen.

Nach dem Postvertrag Bayerns mit der CH vom 1.9.1868 betrugen die Kosten für einfache Briefe 25 Rappen bei der Frankierung, die 7 Kreuzern entsprachen und sie teilten sich auf in 10 Rappen für die CH und 15 Rappen für Bayern.
Im Falle einer unfreien Versendung verdoppelten sich diese Gebühren auf 20 Rappen für die CH und 30 Rappen für Bayern, so dass dann in Augsburg vom Empfänger total 14 Kreuzer zu zahlen gewesen wären. Ab dieser Zeit finden wir auch kaum noch Portobriefe, die ja doppelt so teuer waren, wie Frankobriefe, aber das nur nebenbei.

Aber auch 25 Rappen = 7 Kreuzer waren dem sparsamen Absender einfach zu viel Geld, so dass er einen Dritten suchte, der den Transport günstiger bewerkstelligen sollte - und den fand er auch in der Firma der Gebrüder Buz in Augsburg, siehe Firmenstempel hinten. Diese schmuggelten den Brief (und wohl nicht nur diesen einen) über die Grenze und gaben ihn für 1 Kreuzer als Augsburger Ortsbrief am 23.1.1869 auf. Im Inhalt ging es um Pinsel und deren rechtzeitige Lieferung.

Postgeschichtlich-tarifmäßige Würdigung: Der CH entgingen 10 Rappen, aber sie hatte auch keine Dienstleistung zu erbringen, also ein theoretischer Verlust. Bayern entgingen 3 Kreuzer (4 Kreuzer abzüglich eines Verklebten), dafür mussten sie ihn nicht in Lindau im Bodensee übernehmen und in Augsburg ausliefern, sondern sie bekamen nur einen Kreuzer wie für jeden Ortsbrief auch. Sicher ein Verlust, aber auch kein Weltuntergang.

Man muss allerdings bedenken, dass es sicher weitaus mehr Briefe dieser Art gab, als wir heute kennen (ich habe in fast 35 Jahren nur eine Handvoll entdeckt), aber wenn man das auf die Jahre hochrechnet, wird schon ein erheblicher (Minder-)Betrag in den Büchern gestanden haben, der den Postverwaltungen sicher ein Dorn im Auge war, aber eine 100%ige Kontrolle gab es nicht mal theoretisch, von der Praxis reden wir da erst besser gar nicht.

In jedem Fall Postgeschichte pur und wenn dann noch die Optik und Erhaltung, nebst Inhalt und Stempel aller Beteiligten, vorhanden sind, ist der Tag ein besonders Guter.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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