Thema: Tschechoslowakei Luftpost 1919 bis 1938
Detlev0405 Am: 23.05.2021 06:13:23 Gelesen: 112697# 258@  
Man möge mir verzeihen, dass ich vom heutigen Brief in den höchsten Tönen schwärme. Es handelt sich um eine Destination von Kabul nach Brno aus dem Jahr 1935, auf den damals möglichen Etappen mit Luftpost befördert. Da diese Verbindung sehr selten ist und ich nicht über die notwendigen Kenntnisse und Literatur verfüge, musste ich wieder Wolfgang Rotter = saintex zu Rate ziehen. Dessen brillante Analyse des gesamten Transportweges möchte ich hier ungekürzt wiedergeben:



„1. Ausweislich des Aufgabestempels auf der Vorder- und Rückseite des Luftpostbriefes wurde dieser  am 01. Juli 1935 in Kabul aufgegeben.



2. Die nächste Station des Beförderungsweges wird durch den Transitstempel auf der Vorderseite unterhalb des Luftpostaufklebers dokumentiert. Zu diesem Stempel ist zunächst grundsätzlich zu sagen, dass die Tagesstempel der afghanischen Postämter im März 1932 vereinheitlicht wurden. Die neuen Tagesstempel hatten einen Durchmesser von 33 mm. Die Ortsangabe erfolgte im oberen Halbbogen in der Landessprache Dari und im unteren Halbbogen in Französisch. Das Stempeldatum wurde im Innenkreis im oberen Datumssteg nach dem islamischen Kalender und im unteren Datumssteg nach dem westlichen (gregorianischen) Kalender angegeben. Dieser Stempeltyp blieb bis 1937 in Gebrauch.[1]

Auch wenn ich mangels entsprechender Sprachkenntnisse die Ortsbezeichnung in Dari nicht lesen kann, lässt sich die Ortsangabe in französischer Sprache im unteren Halbbogen doch eindeutig als  TORKHAM entziffern. Dieser Transitstempel „passt“ auch geografisch zum weiteren Beförderungsweg Deines Luftpostbriefes, da es sich bei Torkham um die auf afghanischer Seite an der Straße von Kabul nach Peshawar in Brit. Indien gelegene Grenzstadt handelt. Leider sind die Datumsangaben im Stempel nicht zu lesen, das Stempeldatum müsste aber der 02. oder 03. Juli 1935 gewesen sein. Nach den Angaben bei Jack a.a.O.[1] erhielten ab 1925 alle Postsendungen von Kabul nach Peshawar und v.v. den Transitstempel von Torkham[2]. Die Annahme ist daher gerechtfertigt, dass Dein Luftpostbrief zunächst von Kabul über Torkham und  Landi Kotal (Transitstempel vom 04. Juli 1935) nach Peshawar befördert wurde. Die Beförderung erfolgte dabei von Kabul bis Landi Kotal auf der Straße, da 1935 auf afghanischer Seite weder eine Eisenbahn- noch eine Flugverbindung bestand[3][4]. Von Landi Kotal bis Peshawar bestand seit 1925 eine Eisenbahnverbindung[5].



3. Wie Du richtig festgestellt hast beweist alleine das Datum des Ankunftstempels von Athen (10. Juli 1935), dass der Brief auf der Strecke Indien – Europa mit Luftpost befördert wurde. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Text im Ankunftsstempel selber, der im unteren Halbbogen die Angabe enthält: АΦΙΞΙΣ  ΣΥΣΤΗΜ ΑΕΡΟΠΟΡΙΚΩΣ (= Ankunft mit dem Flugzeug). Bei diesem Ankunftstempel  soll es sich um einen besonderen Stempel gehandelt haben, der ab 28.06.1930 in Athen auf mit der Luftpost eingehenden eingeschriebenen Postsendungen angebracht wurde (Goddard Stempeltyp P 6)[6]. Ich vermute daher, dass auch die rote Umrahmung des afghanischen R-Vermerks bei der Ankunft in Athen angebracht wurde, um für die Weiterbeförderung nach Brünn darauf hinzuweisen, dass es sich um einen R-Brief handelt und dieser daher entsprechend den besonderen Bestimmungen für die Beförderung von R-Briefen zu behandeln ist.

4. Der Brief wurde vermutlich der Luftpostbeförderung in Karachi zugeleitet, das in den 1930er Jahren das Drehkreuz des Zivilluftverkehrs in Brit. Indien war und von allen Fluggesellschaften auf ihren Fernlinien nach Ostasien und Australien angeflogen wurde. Dabei gehe ich davon aus, dass die Beförderung von Peshawar nach Karachi auf dem Landwege erfolgte. Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts existierte eine durchgehende Eisenbahnverbindung zwischen Karachi und Peshawar und auch heute noch soll die Bahnstrecke Karachi – Peshawar die wichtigste Eisenbahnverbindung in Pakistan sein. Zwar besaß Peshawar seit 1927 einen Flugplatz, dieser scheint jedoch nur regionale Bedeutung gehabt zu haben. Angaben zu einer regelmäßigen Flugverbindung zwischen Peshawar und Karachi konnte ich für das Jahr 1935 in den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht finden. Davies a.a.O.[Fn. 4] berichtet über eine Flugverbindung zwischen Pehawar und Karachi erst für die Jahre 1947/1949.


5. Ein Vergleich der Stempeldaten auf Deinem Luftpostbrief mit den in der aerophilatelistischen Literatur veröffentlichten Flugdaten der auf der Indien-Strecke 1935 verkehrenden Fluggesellschaften Imperial Airways, Air France und K.L.M. ergibt, dass Dein Luftpostbrief – entsprechend dem vom Absender auf der Vorderseite angebrachten Leitvermerk „Via K.L.M.“ – mit dem 245. Flug der niederländischen Fluggesellschaft KLM auf der Strecke Batavia/Niederl. Indien – Amsterdam befördert wurde. Die Maschine der KLM, eine im Mai 1935 neu in Dienst gestellte Douglas DC 2 mit dem Taufnamen „Rietvink“ (PH-AKR) war in Batavia am 06.07.1935 gestartet und nach einer  Zwischenlandung in Karachi am 08.07.1935 in Athen am 10.07.1935 eingetroffen[7].


6. Abschließend noch einige Überlegungen zur Frankatur und der Frage, ob der Luftpostbrief portogerecht frankiert ist. Eine zusammenhängende Darstellung über die in Afghanistan geltenden Posttarife gibt es nach meiner Kenntnis bislang nicht. Bislang liegen – soweit mir bekannt – nur Versuche einzelner Autoren (z.B. Patterson, Proud, Jack) vor, die bis heute gewonnenen Erkenntnisse zu den afghanischen Portosätzen zusammenzustellen[8].

 Seit er Währungsreform 1925  ist der  Afghani (Afg.) die Währung von Afghanistan. 1 Afghani ist in 100 Pul geteilt[9]. Dein Luftpostbrief ist mit insgesamt 8 Werten aus der Dauerserie von 1934 frankiert. Die Nominale der 8 Werte addieren sich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 5 Afg 60 pul.

Nach den übereinstimmenden Angaben bei Patterson, Proud und Jack betrug im Zeitraum 1933-1935 das Porto für einen Auslandsbrief bis 20 Gramm 75 Pul und die R-Gebühr für einen Auslandsbrief  ebenfalls 75 Pul. Damit verbleibt für die Luftpostgebühr noch ein Teilbetrag von 4 Afg 10 pul. Wie sich dieser Betrag auf die üblichen Gewichtsstufen von 5 Gramm verteilt, kann ich allerdings auch nicht sagen. Proud[10] gibt für Luftpostsendungen aus Afghanistan nach Europa mit Luftpostbeförderung ab Indien im Zeitraum 1937-1944  folgende Luftpostzuschläge je 5 Gramm an:

(.4.37)-(.5.38) 1 Afg
(.5.39)-(5.40) 1 Afg 15p
(.7.41)-(1944) 1 Afg90p 

Hier ist also noch weitere Forschungsarbeit zu leisten.

Afghanistan ist als Herkunftsland nach meiner Ansicht eine seltene  „Destination“ und daher in einer Sammlung von CSR-Luftpost sicher ein „Schmankerl“, wenn man – wie Du - auch nach „Destinationen“ sammelt. Dies wird auch durch die Preise deutlich, die im Internet für derartige Luftpostbriefe gefordert und auf ebay offensichtlich auch bezahlt werden und die nach meiner Beobachtung  zwischen 100 und 200 Euro liegen. Dass der Luftpostbrief dabei keinen Ankunftstempel von Brünn trägt, würde mich in diesem Fall nicht stören. Meine Prämisse, dass in eine Luftpostsammlung grundsätzlich nur Luftpostbriefe aufgenommen werden sollten, bei denen  durch Transit- und Ankunftstempel bzw. Luftpostbestätigungsstempel belegt ist, dass der Luftpostbrief auch tatsächlich mit Luftpost befördert wurde, dient allein dem Zweck, solche „Luftpostbriefe“ zu eliminieren, die auf ihrem Beförderungsweg vom Aufgabe- zum Bestimmungsort ein Flugzeug nie von innen gesehen haben. In Deinem Fall ist die Luftpostbeförderung auf der Strecke Indien – Athen allein aufgrund der Stempeldaten nachgewiesen und wird darüber hinaus durch den kombinierten Ankunft-/Flugpostbestätigungsstempel von Athen belegt. Und selbstverständlich sind von diesem Grundsatz in begründeten Fällen Ausnahmen immer möglich, wie z.B. der Flugpostbrief Mauritius – C.S.R. in meiner Sammlung, den ich Dir kürzlich vorgestellt hatte, zeigt.“

Ich bedanke mich noch einmal bei Wolfgang ohne weiteren Kommentar meinerseits dazu.

Gruß
Detlev

Verwendete  Quellen

[1] Jack, Robert Afghanistan 1901 – 1933. A Specialised Catalogue 1. Aufl. 2011 o.O. Seite 91
[2] Jack a.a.O.[1] Seite 89
[3] Grantham, Andrew “Khyber Pass Railway”  http://www.andrewgrantham.co.uk/afghanistan/railways/khyber-pass-railway/
[4] Davies, R.E.G. Airlines of Asia since 1920, London 1997 Seite 84
[5]  https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Peschawar%E2%80%93Landi_Khana
[6] Goddard M.A. The Airposts of Greece 1912-1991, Hounslow 1992 Seiten 43-45
[7] Proud, Intercontinental Airmails Vol. 2 Asia and Australasia, Heathfield/GB 2009 Seite 712
[8] Proud a.a.O.[Fn.7] Seite 601, Jack a.a.o.[Fn.1] Seite 95
[9] Wikipedia
[10] Proud a.a.O.[Fn. 7 ] Seite 601
 
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