Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 02.06.2021 14:14:49 Gelesen: 131648# 518@  
Liebe Freunde,

folgender Brief macht mir größte Freude, zeigt er sich doch von vorn und hinten recht attraktiv und hat darüber hinaus noch einen Inhalt, der es wert ist, hier gezeigt und besprochen zu werden.





In Strasbourg, einer der schönsten Städte dieser Welt, am 14.7.1851 "frey" aufgegeben, zahlte der Absender 5 Decimes, die nicht in Marken, sondern bar rückseitig notiert wurden. Um aber den wahren Charakter zu zeigen, stempelte man vorne mit dem P.D. - Stempel, um zu zeigen, dass hier alles vom Absender bezahlt worden war. Gerichtet war er an das Wohllöbliche Bürgermeister Amt Memmingen Königreich Baiern (und bayer. Behörden brauchte unfreie Briefe aus dem Ausland auch nicht anzunehmen, sondern hätte einfach die Zahlung des Portos verweigert). Siegelseitig sehen wir bei der Leitung in geschlossenen Briefpaketen via Baden und Württemberg den Transitstempel von Augsburg vom 15.7.1851 und den Ankunftsstempel 2 Tage später von Memmingen.

Inhalt: " Robertsau bei Strasbourg, den 13. Juli 1851

Wohlgeborener Herr Bürgermeister (vom Empfänger später vermerkt: Erledigt durch Protocoll d. d. 17 Juli 1851, exp. Müller),

Im Auftrag des Unterzeichneten sehen wir uns veranlaßt Sie um Ihren gütigen Beistand zu bitten. Unser Arbeiter Christian Friedrich Krakow, Tuchmacher Geselle aus Dahme im Königreich Preußen, war am 29. Aprill d(ieses) Jahres als reisender in Memmingen und hinterlegte auf der dortigen Tuchmacher Herberge ein Paket in welchem sich folgende Effekten enthielten: Ein brauner Cassinette Sommerrob, 1. Schwarz und blau karrirte Tuchjake, 1 paar bräunliche Bubskinhosen mit Streifen an der Seite, 1 paar Stiefel, 2 wollene Halbbinden, 1 paar wollene Handschuhe, und ein leinen Handtuch mit 1 paar wollenen Soken und sonstige derartige Effekten.

Gegen ende Mai schrieb besagter Christian Fr. Krakow einen frankirten Brief, worin ein Kärtchen sich befand welches die Tochter des Herrn Jakob Althaus zum Bauerntag dem Fr. Krakow bei seiner Abreise mitgab damit wenn derselbe um seine Kleider schreiben sollt er daßselbe beilegen solle, was auch geschan ist.

Es kamen aber weder Kleider noch ein Brief, obgleich Krakow nichts darauf schuldet. Nun schrieb aber besagter an Herrn Obermeister Weis, in der Pfingstwoche einen Brief, und ersuchte herrn Weis sich um die schon angegeben Effekten zu erkundigen, und besagtem gefälligst anzuzeigen welches die Ursache sey, daß die Kleider hier nicht ankommen, aber bis heute ist noch keine Nachricht erfolgt.

Wir ersuchen daher ein Wohllöbliches Bürgermeister Amt mit der höflichen Bitte, in besagter Sache gegen Jakob Althaus zum Bauerntanz, eine Untersuchung anzustellen warum weder Kleider, noch ein Schreiben hier ankommen.

Zugleich ersuchen wir ein Wohllöbliches Bürgermeister Amt mit der höflichen Bitte uns das Ergebniß in dieser Sache gütigst in möglicher bälde mittheilen zu wollen.

Hochachtungsvoll zeichnet ergebenster I. G. Füß contre matre in der fabriqe des draps a la Roberau bei Strasbourg / eingehändige Unterschrift des Eigenthümers Christian Friedrich Krakow /."

Letztlich, wie auch immer, scheint die Sache doch irgendwie bereinigt worden zu sein, aber für mich sind solche Inhalt Gold wert, zeigen sie doch die Probleme und Alltäglichkeiten einer längst vergangenen Zeit auf, die es sonst kaum nachzulesen gelänge.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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