Thema: Hohe Rabatte der Post durch Vorleistungen
drmoeller_neuss Am: 10.07.2021 13:06:56 Gelesen: 1555# 1@  
@ Richard

Hohe Gewinne werden von der Post mit den EB-Teams sicher nicht generiert, aber auch keine Verluste.

Das ist leider eine totale Fehleinschätzung. Unsere Phila-Funktionäre schweben hier auf Wolke sieben und meinen, die Briefmarkensammler sind der größte Umsatzbringer der Post. Auch der Philatelisten-Verband BDPh sollte inzwischen gemerkt haben, dass es immer weniger Sammler gibt, die Neuheiten kaufen. Viele Sammler haben bereits vor 20 Jahren mit der Einführung des Euros das Sammelgebiet Deutschland abgeschlossen und wenden sich den postgeschichtlich interessanen Aspekten wie Poststempel zu. Davon profitiert aber nicht die Deutsche Post.

Nur ein paar Zahlen: die Techniker Krankenkasse hat im Jahr 2019 etwa 41 Millionen Briefe verschickt [1]. Pro Mitglied sind das etwa vier Sendungen. Die Briefe der Krankenkasse sind maschinenlesbar, und müssen nicht gestempelt oder besonders behandelt werden.

Bundesweit dürfte es etwa eine Million Briefmarkensammler geben. Das entspricht einem Zehntel der Versicherten der Techniker Krankenkasse. In der Summe dürften die Sammler genauso viel Sendungen pro Jahr verschicken wie eine einzelne deutsche Krankenkasse. Die Portoeinnahmen sind die gleichen, aber Sammlersendungen bedeuten in der Regel einen Mehraufwand für die Deutsche Post.

Die Krankenkasse rechnet die Portokosten zentral ab. Die Sammler bekommen ihre Marken in kleinen Papiertüten geliefert und wollen sie noch schön per Hand gestempelt haben. Dafür wird ein Heer an Postangestellten gebraucht. Für die Techniker Krankenkasse dürfte ein einziger Account Manager zuständig sein. Vielleicht betreut der sogar noch weitere Kunden.

Die Deutsche Post AG hat einen gesetzlichen Versorgungsauftrag. Die Hallig und die Zugspitze müssen mit Post versorgt werden. Mitarbeiter der Post sind jeden Tag stundenlang damit beschäftigt, damit der Bauer auf seinem einsamen Gehöft täglich die Urlaubsgrüsse von seinen Verwandten oder die Rechnung vom Tierarzt bekommt. Der Postkunde muss diese unrentablen Tätigkeiten mitfinanzieren, damit alle Bürger in den Genuss der Grundversorgung mit Postdienstleistungen kommen.

Die Versorgung mit Sammlerbriefmarken und das Stempeln von Sammlersendungen gehören nicht zur Grundversorgung!

Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter machen, aber Briefmarkensammler sind vom wirtschaftlichen Standpunkt her keine guten Kunden der Post. Die einzige Einnahmequelle ist die "Kartonphilatelie", da für die gestempelten Marken keine Gegenleistung erbracht werden muss. Der Philatelistenverband ist hier in einer Zwickmühle, da erfahrene Philatelisten beim Anblick von Numisblättern und Messebelegen verächtlich die Nase rümpfen. Sogar von Geldvernichtung ist die Rede.

Die Post hat lange die Briefmarkensammler unterstützt, ohne vielleicht immer mit dem letzten Euro gerechnet zu haben. Daraus lässt sich aber kein Anspruch für die Zukunft ableiten.

Der Bundesverband der Philatelisten sollte sich mit der Post über ein tragfähiges Modell für die Zukunft einigen, anstatt der Vergangenheit hinterher zu trauern.

Ich hatte bereits ein paar Vorschläge gemacht:

1. Sonderstempel soll es weiterhin geben. Postintern sollten sie als "Absenderstempelung" laufen, wie es für Grossauflieferer bereits seit 40 Jahren möglich ist. Für eine kleinere Veranstaltung genügt ein Gummistempel und ein Bürostempelkissen. Die Post sollte lediglich das Motiv genehmigen müssen und bestimmte Lieferanten für Stempel und Stempelkissen festlegen. Der Verein kauft den Stempel und stempelt die Post während der Veranstaltung selbst, und übergibt die gestempelte Post als "absendergestempelte Post" nach Ende der Deutschen Post.

Auch für Versandhändler mit grossem Postaufkommen wäre diese Lösung denkbar.

2. Briefmarkenverkauf und "Kartonphilatelie": Auch unter Briefmarkensammlern ist Kartonphilatelie umstritten. Nicht wenige Sammler fordern, dass der Verband den Verkauf nicht noch unterstützt. Persönlich überlasse ich die Entscheidung dem einzelnen Sammler. Niemand muss alles kaufen. Warum kann die Deutsche Post nicht Kommissionsware an Vereine bereitstellen? Es müssen ja nicht immer nur philatelistische Veranstaltungen sein, auch der normale Neuheitendienst auf den Vereinsabenden könnte wieder auf eine wirtschaftliche Basis gestellt werden, wenn der Verein nicht mehr das Risiko hat, auf unverkauften Briefmarken sitzen zu bleiben.

3. Für die Briefmarke selbst sollte gemeinsam ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickelt werden. Für mich sind Länder wie Finnland und Schweden Vorbilder. Alle Marken sollten selbstklebend in den gängigsten Portostufen ausgegeben werden. Es wird nicht mehr zwischen Ausgaben für den allgemeinen Postbenutzer und Sammler unterschieden. Zuschlagsmarken werden langfristig eingestellt oder auf ein bis zwei Ausgaben pro Jahr reduziert (z.B. Weihnachtsmarken).
Für den Schalterbetrieb sollten graphisch gefällige Etiketten entworfen werden. Hier gibt es viele gute Beispiele, wie die Automatenmarken aus Dänemark, Spanien oder Großbritannien oder die Dispensermarken aus Österreich.

Auf der anderen Seite sollte der Bundesverband der Philatelisten auch Forderungen stellen, was die Qualität von Postdienstleistungen betrifft. Die Entschädigung für den Verlust von Einschreiben muss deutlich auf 50 EUR pro Sendung erhöht werden, und unabhängig vom Inhalt ausgezahlt werden. Auch für andere nachverfolgbare Sendungen muss es Pauschalen bei Verlust geben, die unbürokratisch ausbezahlt werden. Im öffentlichen Verkehr ist das seit Jahrzehnten geltendes Recht, bei Verspätungen Pauschalen zu bezahlen, ohne dass die Verkehrsträger dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind. Im Gegensatz, der finanzielle Druck hat zu einer Verbesserung der Pünktlichkeit geführt.

[1] https://gb2020.tk.de/app/uploads/2021/06/TK_Geschaeftsbericht2020-barrierefrei.pdf
 
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