Thema: Vermeidbare Lagerschäden bei Briefmarken
Richard Am: 18.09.2021 09:33:59 Gelesen: 1817# 2@  
Im ersten Beitrag wurde von sauren und basischen (Base = Lauge) Papieren und dem entsprechenden pH-Wert berichtet. Papier ist eine organische Substanz, d.h. aus Stoffen zusammengesetzt, die dem organischen Leben entstammen, damit bestimmten Veränderungen unterworfen sind. Im Lexikon lesen wir als Definition:

Papier: aus Pflanzenfasern (mit Stoff- u. Papierresten) durch Verfilzen und Verleimen hergestelltes, zu einer dünnen, glatten Schicht gepresstes Material, das vorwiegend zum Beschreiben und Bedrucken oder zum Verpacken gebraucht wird.

Die meisten Pflanzenzellen sind von starren und sehr kräftigen Cellulose-Strukturen (bestehend ausschließlich aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff) umgeben, die mit glasfaserverstärktem Kunststoff zu vergleichen sind. Das Gerüst der Zellwände besteht aus netzförmigen Lagen langer Cellulosefasern, die fester als Stahldrähte desselben Durchmessers sind. Dieses Fasergerüst ist mit einer zementähnlichen Grundsubstanz imprägniert, die unter anderem aus Lignin besteht. Für die Reissfestigkeit des Papiers ist daher vor allem die unglaublich hohe Festigkeit der Cellulosefasern verantwortlich.

Die Pflanzenfasern für die Papierherstellung werden gegenwärtig vor allem aus Holz gewonnen, das ungefähr zur Hälfte aus Cellulose besteht. Für dessen chemischen Aufschluss, d.h. die Beseitigung der Begleitstoffe (z.B: Lignin), gibt es verschiedene Verfahren. Diese arbeiten entweder mit sauren oder alkalischen (basischen) Lösungsmitteln, wobei sich die Verfahren hierbei sowohl nach der Holzart als auch nach dem gewünschten Endprodukt richten.

- Für die Herstellung von Zellstoff nach dem sauren Bisulfitverfahren mittels schwefeliger Säure (H2SO3) oder Schwefelsäure (H2SO4) wird im allgemeinen Holz von Fichte und Tanne eingesetzt, doch verarbeitet man in steigendem Maße auch Laubhölzer. Dieser Sulfitzellstoff ist im ungebleichten Zustand hell, lässt sich leicht bleichen und dient vorwiegend zur Herstellung von grafischen Papieren und Hygienepapieren (Papier sauer: pH-Wert unter 7).

- Das alkalische Aufschlussverfahren mit einem Gemisch aus Alkohol und Wasser unter Zusatz von Natronlauge (NaOH) ist besonders für die harzreiche Kiefer und Lärche geeignet, doch lassen sich nach dieser Methode alle Holzarten sowie Einjahrespflanzen aufschließen. Das Verfahren ist gegenwärtig weltweit am meisten verbreitet. Der alkalisch aufgeschlossene Zellstoff ist dunkler, schwerer bleichbar und eignet sich besonders für die Herstellung von Packpapieren, aber auch des gesamten Bereichs der grafischen Papiere (Papier basisch: pH-Wert höher als 7).

Je nach Papierqualität kommen unterschiedliche „Halbstoffe“ zur Verwendung; der so aufbereitete Holz- oder Zellstoff oder Sekundärfaserstoff aus Altpapier oder eine Mischung dieser Rohstoffe werden in Wasser aufgelöst und danach mit Füllstoffen wie Kaolin oder Calciumcarbonat (Kalk), mit Leim, Farbstoffen und verschiedenen anderen chemischen Produktionshilfsmitteln vermischt.

Somit wird auch jedem Laien klar, dass Papier trotz seiner Festigkeit dennoch eine überaus heikle und empfindliche Substanz ist, deren Lebensdauer erheblich von der Lagerung und Aufbewahrung abhängt. Feuchtigkeit beschleunigt die Alterung um mindestens das Zehnfache.

- Feuchtigkeit ist mit eine der Hauptursachen für die gefürchteten Stockflecken. Darunter versteht man die bräunlich-rote Verfärbung im Papier in Form unterschiedlich großer Flecke. Die Entstehung ist nicht abschließend geklärt, Ursachen können säurehaltige Klebstoffe, herstellungsbedingte Verunreinigungen, nutzungsbedingte Verschmutzungen (Speicheltröpfchen!), Schimmelpilze oder Bakterien sein. Die Schimmelpilzsporen werden durch die Luft verbreitet und sind über Jahre bis hin zu Jahrzehnten keimfähig. Die vollständige Entfernung der Stockflecken ist nicht möglich, sie lassen sich nur teilweise lösen, auf kaum sichtbare Größe verkleinern und bleichen, sodass sie optisch kaum mehr wahrgenommen werden können. Da die Behandlung in wässrigen Lösungen erfolgt, ist sie für postfrische Briefmarken mit Gummierung nicht anwendbar. Manchmal hilft ein einfaches 10%iges Natriumbisulfit-Bad (Na2SO3) oder Natriumhydrogensulfit-Bad (NaHSO3), dessen Bleichwirkung auch zur Auffrischung des Papiers genutzt werden kann. Mehr Erfolg verspricht eine Doppelbehandlung: Die Marke wird einige Minuten in die dunkelviolette Kaliumpermanganat-Lösung gelegt (KMnO4 als übermangansaures Kali einst ein Allheilmittel zum Gurgeln gegen Halsentzündung gebraucht). Sie kommt braun aus diesem Bad heraus und die Verfärbung verschwindet im anschließenden Natriumbisulfit-Bad (siehe oben), zum Schluss ist die Marke in reinem Wasser gut zu spülen. Beide Bäder werden im Briefmarken-Fachhandel als „Stockflecken-Entferner A und B“ angeboten. Um die Bildung von Stockflecken zu vermeiden sind daher die Alben bei geringer Luftfeuchtigkeit stehend (!) aufzubewahren und öfters durchzublättern, um Frischluft zuzuführen. Sehr stark befallene Alben sollten eher im Müll entsorgt werden (Pilzsporen!).

- Eine andere Art von Flecken lässt sich leider nicht entfernen und hat zur Zerstörung des Papiers geführt: Es waren dies die berüchtigten „Schonfälze“ der 1930er und 40er-Jahre. Die Fälze versprachen die postfrische Erhaltung ungebrauchter Marken, wurden aber ohne vorhergehenden Langzeittest auf den Markt gebracht. Der Klebestoff auf der Kunstsoff-Folie hatte die Eigenschaft, allmählich das Papier zu durchdringen, was sich beiderseits als fettartige Schonfalzflecken bemerkbar machte. Überdies wurden die Druckfarben verändert, manchmal brach der Fleck aus dem spröde gewordenen Papier aus und hinterließ ein großes Loch. Unzählige Dokumente, die mit diesen Selbstklebebändern der ersten Generation unwissentlich geklebt wurden, erlitten das gleiche Schicksal. Es gibt zwar Tipps, die Flecken mit Wundbenzin, Äther, Tetrachlorkohlenstoff oder Aceton (alles Lösungsmittel für Fette) zu entfernen versuchen, der Erfolg ist aber äußerst unbefriedigend, zumal die Druckfarben dabei leiden. Die genaue chemische Zusammensetzung der Kleber ist zumeist Betriebsgeheimnis, es sind in der Regel hochmolekulare Verbindungen aus den Grundelementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff mit entsprechenden Lösungsmittel wie Fettsäuren, Essigsäure usw. Obwohl sich der Chemismus der Selbstklebebänder seit ihrer Einführung wesentlich geändert hat, ist dennoch deren Verwendung bei sensiblen Dokumenten, Büchern oder Einkleben von Briefmarken vorher gut zu überlegen und im Zweifelsfalle davon dringend abzuraten. Ein Blick ins Internet liefert dabei weitreichendere Informationen über diverse Arten des Trocken-Klebens, welche den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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