Thema: Briefmarkenflut, Nutzungsrückgang, Sammlerschwund - Aussichten der Philatelie
10Parale Am: 21.11.2021 18:07:55 Gelesen: 7034# 9@  
@ Richard [#1]

"Dennoch wird der einzelne Sammler sagen, was stört es mich, mir macht das Sammeln Spaß, ich werde deswegen nicht aufhören."

Habe mir diesen Satz aus der hervorragenden Analyse von Dr. Gärtner herausgepickt. Ich denke ich gehöre zu diesem Personenkreis und möchte noch ein paar Jahre weiter so sammeln und Spaß haben.

Wir sollten bei der ganzen Methodik die Pandemie nicht ganz außer Acht lassen. Der von uli in [#4] beschriebene "Sammler im stillen Kämmerlein" lebt sicher, steckt niemand an und wird von niemand angesteckt. Deshalb ist er (sie - 5% Frauen nicht vergessen!) in meinen Augen unendlich wertvoll für die Philatelie.

Den streng wissenschaftlichen Daten und Fakten kann man ja kaum etwas hinzufügen. Für mich bleibt nur eine Frage, die ich mir immer wieder stelle: woher kommt der Nimbus oder das Narrativ, also die sinnstiftende Erzählung, das "komplett" gesammelt werden sollte? Beispiel Rumänien: wenn es nur ein Dutzend ungebrauchter Ochsenköpfe gibt (Michel Nr. 1 - 4), schließt man mit diesem Vorhaben selbst die aus, die nicht zum Zug kommen, - obwohl sie die finanziellen Mittel hätten -, denn das Angebot ist begrenzt. Auf der anderen Seite gibt es wenige Besitzer oder Eigentümer dieser Marken, die dann der Rest nicht interessiert und die auch kein Interesse haben, komplett zu sammeln.

In Punkt 2 "Entwicklung der Philatelie nach 1945 ...." sehen wir an der Tabelle, dass interessanterweise zur Zeit der Wiedervereinigung, also um die 1990,ein Höchststand an erfassten Sammler*innen zu verzeichnen ist.

Hier wurde meines Erachtens von Seiten der Offiziellen nicht nachgedacht. Erstens gibt es wohl seit Außerkurssetzung der DM-Nominalen nach Einführung des Euro kaum einen Jugendlichen mehr, der sich vom Sammeln von DM und Pfennig Werten jener Zeit etwas erhoffen kann. Da macht es beispielsweise mehr Sinn, alte DM-Scheine zu sammeln, denn dafür gibt es sogar noch was. Wenn beispielsweise von über 55.000 Mitgliedern (der Zwang sei mal dahingestellt) im Osten der Republik nur noch 5.500 im Bund deutscher Philatelisten zu finden ist, hat es auch sicher damit zu tun. Ich habe einen Kollegen aus Leipzig, der lieber Münzen sammelt, weil er dem Gegenwert des Edelmetalles (Gold, Silber etc.) mehr Vertrauen schenkt als dem Gegenwert von Papier-Währungen, die außer Kurs gesetzt wurden.

Zweitens war jedem klar, dass die Babyboomer-Generation eines Tages auch ins Alter kommt. Diese sind letztendlich noch die Stützen des Systems, aber Dr. Gärtner spricht ja selbst von einem "dramatischen Schwund", der in den kommenden Jahren einsetzen wird. Insofern ist Punkt 5. "Fazit und Ausblick" dann recht ernüchternd. Wenn die Philatelie dann wieder auf das Maß wie vor 100 Jahren schrumpft, sind wir in den Jahren 1920 - 1930. So weit zurück gehen die in [#1] gezeigten Statistiken aber nicht.

Liebe Grüße

10Parale
 
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