Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 03.12.2021 11:31:03 Gelesen: 111911# 555@  
Liebe Freunde,

Versuch der Interpretation eines komplizierten Briefes aus Württembreg über Bremen in die USA, dort nicht zustellbar/abgeholt und wieder über Bremen retourniert mit sensationeller Involvierung der bayerischen Post.

Geschrieben wurde der Familienbrief am 6.12.1853 in Rohrdorf bei Nagold in Württemberg an "Johanes Maurer, Rom(e), Staat New York, Nord Amerika". Eine Leitungsangabe entfiel und der Leitungsmöglichkeiten gab es damals mehrere. Er wurde, weil Rohrdorf noch keine eigene Post hatte, im nahen Nagold unfrankiert aufgegeben, wo er den Zweizeiler vom 6.12.1853 erhielt und mit 9 Kreuzer Porto bis Bremen vortaxiert wurde. In FFM erhielt er einen Transitstempel, dessen Datum wohl der 7.12.1853 war und wurde von hier aus nach Bremen geleitet.





Thurn und Taxis Bremen stempelte am ??.12.1853 Posteingang und übergab den Brief am 15.12.1853 der preussischen Post in Bremen (Rahmenstempel), warum auch immer.

Zu dem Vereinsporto von 9 Kr. kam noch das Porto von 32 Kr. für die Verschiffung über GB und das Inlandsporto bis 1/2 Unze für die USA, total also 41 Kr..

In New York kam er am 17.3.1854 erst an und wurde mit dem Debitstempel in schwarz über 22 Cents (steht oben) versehen. Die Leitung nach New York erfolgte mit der Washington der Ocean Line (Abgang in Bremen erst am 24.2.1854? über Southampton am 1.3.1854 und Ankunft am 16.3.1854.

Bis zum 31.12.1853 galt noch der o. a. Altvertrag vom 1.7.1852, ab dem 1.1.1854 aber galt über Bremen der neue Postvertrag, der eigentlich 6 Kr. für Württemberg und 16 Kreuzer fremdes Porto vorsah; hier galt aber wohl noch wegen der Aufgabe im Dezember 1853 der Altvertrag.

Von New York aus ging es nach Rome im Staat New York, das eigentlich erst 1870 gegründet wurde, wohl aber schon zuvor bestanden haben muss. Dort wurde der Brief aber nicht abgeholt und nach Monaten mit dem Stempel (vorne unten linke) "Not called for" (nicht abgeholt) und einen weitere Stempel des "Dead letter office" unten rechts) nach New York zurück geschickt.

In New York wurden diese Retourbriefe nun gesammelt, bis man genug beieinader hatte und diese dann mit der Ocean Line, wieder die Washington, nach Bremen retourniert (Abfahrt der Washington am 4.11.1854 in New York, in Southampton am 19.11.1854 und in Bremen am 21.11.1854). Wichtig war es bei der Rücksendung, den Laufweg in die USA zu beachten und nicht einen anderen Laufweg zu wählen, weil die Porti hin und her sonst nicht hätten mit der richtigen Postverwaltung verrechnet werden können.

Bremen bekam ihn nun am 21.11.1854 und sandte ihn nach Ludwigshafen am Rhein (Rheinpfalz = Bayern) ab, wohl mit 33 Kr. belastet, die 22 US Cents entsprachen. Ludwigshafen konnte mit dem Brief natürlich nichts anfangen und musste die einlangende Briefkarte (Bremen - Frankfurt am Main - Heidelberg - Mannheim - Ludwigshafen) korrigieren über die mitlaufende Attestkarte und sich so exkulpieren (oben rechts: "retour nach Frankfurt"). Man sandte den Brief dann nach FFM zurück, wo er richtig weiter nach Nagold geschickt wurde.

In Nagold steckte man ihn unter den Retourbriefen im Postbüro aus, aber es fand sich keiner, der ihn auslösen wollte und durfte, daher sandte man ihn geschlossen mit anderen Briefen an die Retourbriefcommission nach Stuttgart, wo er zur Absenderfeststellung geöffnet wurde. Siegelseitig notierte man mit roter Tinte: "A. M. Seeger, Rohrdorf" und sandte ihn mit einer Retourmarke verschlossen nach Nagold retour, wo man ihn durch den Landbriefträger dem Empfänger zustellte (von Nagold aus am 26.11.1854).

Dieser war haftbar zu halten für alle im Laufe des Transports angefallenen Porti, also 41 Kr. plus 1 Kr. Botenlohn = 42 Kr., wie unten links vermerkt.

Der Stempel oben links "7 / 15" stammt aus Bremen (habe ich im van der Linden nicht gefunden) und signalisierte das Verhältnis von 7 US Cents Forderung von Bremen (9 Kreuzer) und 15 US Cents für den Transit und die Leitung in die USA für die USA = 22 US Cents, wie auch später im New Yorker Stempel in schwarz (der Farbe des Portos, rot wäre die Farbe des Frankos gewesen) zu erkennen ist.

Ich weiß nicht, ob der Brief damit perfekt beschrieben ist, aber ich danke meinem lieben Sammlerfreund Rob Faux für seine großartige Hilfe. Eine Kopie der Scans ging auch an Dick Winter, den König der Transatlantikbriefe, in der Hoffnung vlt. noch mehr heraus zu finden. Wer wann wo welche Taxe genau vermerkte, ist nicht einfach und die blauen / 9 und "pro 9" für das Retourporto von 9 Kreuzern können überall angebracht worden sein.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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