Thema: Kurzbefund ausstellen: Die Wahrheit über Aufwand und Ertrag des Prüfers
Oliver Estelmann Am: 28.12.2021 07:02:26 Gelesen: 5610# 3@  
@drmoeller_neuss

Ich möchte dir kurz erklären, warum ein Kurzbefund für 5,- Euro einen dramatischen Einfluss auf die Lebenszeit eines Prüfers nimmt. Ich zeige dir hier kurz auf, was er wirklich kosten müsste:

Du bekommst ungefragt einen Brief mit einer einzelnen Briefmarke mit Bitte um Prüfung.
Unleserlicher Absender, am besten noch nass geworden bei Einwurf usw.
Alles klar kein Problem, wenn es ein Übergabe - Einschreiben war.
Kam der Brief nicht an, hast du dich zu erkundigen wo der Brief ist.
Für eine Person, die du nicht mal kennst! Der muss sich natürlich auch schlau machen.
Das ist bei Einschreiben nicht anders, wie ich aus leidvoller, mehrfacher Erfahrung berichten muss.

Bis hier ist alles klar. Ich mache also das Briefchen auf:

Jetzt kommt die Erfassung eines Neukunden. D.h. eine neue Seite anlegen, alle Daten erfassen um für eventuelle spätere Prüfaufträge sich die Arbeit nicht doppelt anzulasten.
Der Neukunde muss ins System eingepflegt werden, kriegt eine interne Kundennummer, seine Adresse wird aufgenommen usw.
10 Minuten ...
Die Sendung wird eingescannt, vorder- und rückseitig in unterschiedlichen Größen.
10 Minuten ... (abhängig davon ob eine Marke oder 80 geschickt wurden).
Danach wird die Marke geprüft, je nach Schwierigkeitsgrad kann das 5 Sekunden oder auch mehrere Tage dauern. Die 5 Sekunden beziehen sich auf eine offensichtliche Fälschung, oder in meinem Fall auch mal auf einen Neudruck.
Das beeinflusst nicht die bisher aufgebrachte Zeit, denn diese Vorgänge sind zur exakten Einhaltung einer Prüfordnung unumgänglich.
Jetzt hat der Kunde mir tatsächlich eine gute Marke geschickt ... ich muss also in meinem Archiv nachsehen, ist die Marke schon mal aufgetaucht?
Hier offenbaren sich manchmal die tollsten Geschichten, ohne das ich die Marke unter die Lupe genommen habe. "Restaurationen" früherer Zeiten, ausgebügelte Knicke im Papier usw., das ist schon interessant. Vom Luxusstück zur Ruine einer Marke war wirklich schon alles dabei. Diese Recherche kostet natürlich Zeit.
10 Minuten ... wobei das sehr knapp bemessen ist.
Jetzt kommt es aber richtig dicke: Sich ein solches Archiv aufzubauen, mit welchem du arbeiten kannst und das richtig strukturiert ist, permanente Pflege über Jahrzehnte hinweg bedeutet, kostet auch richtig viel Geld.
Sei es für die tausenden Steckkarten, die Kopierkosten (der größte Teil der Kosten), die Druckerpatronen usw. usf. ... aber das nur am Rande.

Jetzt hat mir mein Kunde tatsächlich eine feine Marke geschickt, Befundwürdig mit allem drum und dran.
Ok. D.h.:
Ich werde die Marke 2x mal kopieren, 1 mal für den Kurzbefund und einmal für mein Archiv und dann noch einmal rückseitig fürs Archiv.
10 Minuten ...
(übrigens kosten die Kartuschen für meinen Kopierer --- es sind 4 Stück --- jeweils 200,- Euro).
Außer für die Prüfgeschichten benötige ich ihn kaum.
Jetzt habe ich die Erhaltung der Marke ermittelt, den Blanko Kurzbefund (welchen ich auch nicht gratis bekommen habe) und meinen Entwurf, (welcher ja auch erstmal geschrieben sein und gedruckt werden muss), für den Kurzbefund.
15 Minuten ...
Ich drucke ihn aus, klebe das Bildchen drauf, unterschreibe ihn, bringe das Prägesiegel des BPP an (musste ich auch erstmal holen, haste mit Sicherheit nicht in der Hosentasche und der war als Leihgabe des BPP richtig teuer!).
10 Minuten ...
JETZT :
Wird der Befund auch eingescannt und abgepeichert, dann 2 x kopiert (1 x für das Archiv und einmal für interne Zwecke (BPP). Er muß ausgeschnitten und mit Kundennummer versehen werden, er muß zudem auch noch ins Archiv eingebracht werden.
20 Minuten ...
Jetzt kommt die Rechnung schreiben und ausdrucken und unterschreiben, kopieren (man braucht ja auch Material für`s Finanzamt).
Der nicht in Rechnung gestellte Briefumschlag ist gratis, die Marken musste aber auch erstmal bei der Post geholt haben. Dann schraubst Du dich wieder zur Post, den Brief abzugeben.
Du erhälst den Einlieferungsbeleg, welchen du sorgfältig ablegen musst, damit dir die Arbeit bei der nächsten Lohnsteuerjahreserklärung nicht so schwer fällt.
Inclusive Benzingeld mal in Minuten aufgerechnet (die Post ist bei mir nicht um die Ecke).
20 Minuten ... weil Briefmarken holste ja nicht jeden Tag.
Inclusive der Kosten für Formularkopien, Kosten für Versicherung, Nerven usw., ist das eigentlich nur Kopfkino. Einer hält es aus, der andere nicht.

Macht für mich überschlagene 105 Minuten für 5 Euro.
In einem solchen Falle berechne ich allerdings ermäßigte Mindestprüfgebühren.
Die liegen zwischen 10 und 15 Euro. Das wird mir niemand nachsehen, nach obigem Spektakel.
Allerdings:
Würdest du dafür beim Nachbarn Schneeschippen gehen?
Und dann noch die rechtlichen Konsequenzen für den
Sturz einer alten Oma, wegen einer übersehenen Schneeflocke riskieren, genau dafür eine Versicherung abschließen? Ich glaube wohl kaum.

oli
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/16582
https://www.philaseiten.de/beitrag/284455