Thema: Schöne Belege aus aller Welt
cartaphilos Am: 02.07.2010 06:30:26 Gelesen: 405160# 232@  
Einen schönen guten Tag für alle.

Der Irrläufer aus dem Ersten Weltkrieg erinnert mich an einen besonderen Beleg aus meiner Sammlung, den ich weiter unten vorstellen werde.

Ich sammle alles, was mit der Telegraphie zu tun hat, also auch Rohrpost, denn die Rohrpost ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als das Telegrammaufkommen - wegen der telegraphisch vermittelten und georderten Börsengeschäfte - explosionsartig anstieg, für die Beförderung von Telegrammen erfunden worden. Da fallen attraktive Belege an, weil die Post früher auch immer versucht hat, die Briefe schnell an den Empfänger zu bringen.

So wurden in Berlin auch Sendungen, die nicht als Rohrpostsendungen freigemacht waren, falls beispielsweise eine Anschrift nicht stimmte, mit dem Vermerk "zur Rohrpost" versehen und dann vom Amts wegen dem neuen Zustellpostamt per Rohrpost zugeführt. Dies ist in Berlin vergleichsweise häufig der Fall und entsprechende Belege lassen sich durchaus mit ein wenig Geduld immer wieder finden.

Manchmal geschieht es jedoch auch, daß falsch adressierte Sendungen nicht so schnell behandelt werden konnten und es kommen interessante Belege heraus, deren Weg sich aufgrund der Stempel und handschriftlichen Vermerke auf ihnen recht gut rekonstruieren läßt. So z.B. diese P 33 II.



Die Karte ist ja relativ selten und mit über 100 Michel-Euro recht teuer (Druckdatum 894c, kein Wasserzeichen und keine erkennbaren Punktlücken), was schon einmal Freude macht. Aber der Postweg, den die Stempel ebenso wie die handschriftlichen Vermerke dokumentieren, und den ich hier einmal versuchsweise zu rekonstruieren wage, hat es in sich:

1. Station: Aufgegeben wurde die Karte am 10.07.1894 in Berlin N 37, 5-6 Uhr nachmittags
2. Station: Zustellversuch durch PA Berlin O 17 am 10.07.1894 zwischen 6.15 und 7.15 Uhr abends, dort unzustellbar. Vermerk: Nach Weberstraße 15 verz. Handzeichen 10/7.
3. Station: "O 17 Poliz Attest", d.h. offenbar Konsultation der polizeilichen Melderegister zur Bestätigung der Nachsendeanschrift
4. Station: Zustellversuch durch PA Berlin W 10 am 11.07.1894 zwischen 7.45 und 9.15 Uhr vormittags, dort unzustellbar. Vermerk: Nach Weberstraße 50 verzogen, Handzeichen 10/7.
5. Station: Zustellversuch durch PA Berlin O 17 am 11.07.1894 zwischen 11.00 und 12.15 vormittags, dort erneut unzustellbar
6. Station: Zustellversuch durch PA Berlin ### am 11.07.1894 zwischen 4.15 und ### nachmittags, dort unzustellbar
7. Station: Ermittlungsversuch durch PA Berlin N 37 am 12.07.1894 zwischen 7.00 und 8.30 vormittags (wohl zur Kontaktierung des Absenders: A. Heinz, Straßburger str. 22 I), nicht angetroffen
8. Station: Ermittlungsversuch durch Postbeamten Hübner am PA Berlin NO 18. Ergebnis: Polizeilich nicht gemeldet
9. Station: (Boten?)-Stempel P 2 vom 12.07.1894 2.00 bis 3.00 nachmittags (wohl Zurückbeförderung der Karte nach Berlin N 37)
10. Station: Ermittlungsversuch duch PA Berlin N 37 am 13.07.1894 zwischen 7.00 und 8.00 nachmittags/abends zur Kontaktierung des Absenders (Erfolg ?)
11: Vermerk: Adresse Weberstr. 50 mit Hilfe der ???? nicht zu ermitteln, Namenszeichen 24/8 (?)
12: Vermerk: Adresse ist in Weberstr. 15 ohne nähere Angaben ????? nicht zu ermitteln ???? 25/8 Namenszeichen

Mit einem Wort: Es wurde damals von der Post noch viel geboten für schlappe 5 Reichspfennig

einen schönen Tag noch

Telosgraphein007
 
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