Thema: Deutsches Reich Inflationsbelege
philast Am: 14.02.2022 21:11:13 Gelesen: 1047986# 9432@  
@ inflamicha [#9431]

Hallo,

ich habe Nachdrucke von Dienstanweisungen der Reichspost für verschiedene Schifffahrtslinien aus ca. 1893-1908, hergestellt von der Arge Schiffspost in meinem Besitz.

In diesen Unterlagen ist kein Abschnitt enthalten, wie bei Gebührenänderungen während der Fahrt zu verfahren ist. Ist auch nicht überraschend, waren doch bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges die Postgebühren mehr als 30 Jahre konstant.

Was ich aus den Anweisungen herauslese ist, dass es an Bord einen Schiffsbriefkasten gegeben hat, der gemäß Vorschrift wenigstens einmal täglich zu leeren war oder kurz vor einlaufen in einen Hafen. Sobald der Hafen erreicht war, war dann die Annahme durch die Seepost/Briefkasten nicht mehr erlaubt, es musste dann auf die Post des Hafens zurückgegriffen werden. D.h. Wenn die Postkarte am Samstag 29.9. 21:30 geschrieben wurde müsste die Entwertung entweder noch am 30.9. bis ca. 9 Uhr erfolgt sein oder nach erneutem Ablegen des Schiffes aus Dover, d.h. entweder am 1.10. oder wie hier am 2.10.

Wie lange so ein Schiff damals Aufenthalt in einem Hafen hatte ist mir nicht bekannt, aber da gibt es sicher noch Unterlagen darüber.

Wie schon gesagt diese Dienstanweisungen aus 1893-1908 geben keine schriftliche Bestätigung her, dass die Postgebühren für den gesamten Zeitraum der Reise Bestand hatten.

Wenn ich die Sache mal aus praktischer Sicht betrachte, hatte eine Schiffspost bestimmten Bestand an Postwertzeichen mitzuführen und dieser konnte zwangsläufig nur aus den Postwertzeichen bestehen die sich zum Zeitpunkt des Reisestarts im Umlauf befanden. Zum Zeitpunkt der Hochinflation ab 24.8. ein schwieriges Unterfangen, haben sich doch die Porti alle ein, zwei Wochen i.d.R. mehr als verdoppelt, was dazu führen würde, dass die vorrätigen Postwertzeichen sehr schnell verbraucht gewesen wären.

Diese Überlegung würde für die Existenz einer derartigen Regelung sprechen.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass in jedem angelaufenen Hafen die Schiffspost Informationen über die gültigen Gebührensätze erhalten/beschafft hat. Wie sie dann allerdings die nötigen Postwertzeichen bevorratet hat und auch die Marken auf den Postsendungen unterbringen kann, wäre bei einer längeren Reise während der Hochinflation sicher interessant. Schiffspostbelege aus dieser Zeit mit 'Viel-/Massenverwendungen' von kleinen Werten habe ich bislang nicht gesehen. Klingt also irgendwie unwahrscheinlich.

Der folgende Beleg passt hier ganz gut, da er ebenfalls auf der Linie Hamburg Südamerika unterwegs war, jedoch am 9.10.23 abgestempelt wurde und die nötigen 3,6 Mio Mark Porto frankiert hat. Diese Marken sind erst am 1.10.23 ausgegeben worden, deshalb kann man mit einiger Sicherheit sagen, dass dieses Schiff wohl nach dem 1.10. in Hamburg abgelegt hat.



Grüße
philast
 
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