Thema: Tageszeitungen
Altmerker Am: 10.03.2022 14:00:13 Gelesen: 12939# 53@  
Hallo,

heute bin ich mal wieder etwas ausführlicher und schaue ins Nachbarland. Tageszeitungen sind Seismografen. Auf Initiative Kaiser Leopolds I. gegründet, erschien die „Wiener Zeitung“ erstmals am Mittwoch, den 8. August 1703, vorerst unter dem Namen „Wiennerisches Diarium“, den sie bis 1780 beibehielt. Im Todesjahr Maria Theresias erhielt sie den Namen „Wiener Zeitung“, unter dem das Blatt ohne Unterbrechung, abgesehen der dunklen Jahre der Geschichte vom 1. März 1940 bis 21. September 1945, bis heute erscheint. Nach dem 2. Weltkrieg erschien die erste Ausgabe am 21. September 1945.

Nachdem sie ab 1703 im Einverständnis und unter Zensur des Hofes von privaten Herausgebern gestaltet wurde, gehörte die "Wiener Zeitung" ab 1857 dem österreichischen Staat. Ausgestattet mit kaiserlichen Privilegien erschien sie, gleich den Ordinari-Zeitungen des 17. Jahrhunderts, zunächst „posttäglich“ zweimal wöchentlich, gegen Ende des 18. Jahrhunderts dreimal und nach den Napoleonischen Kriegen als Tageszeitung.



Die „Wiener Zeitung“ war stets ein politisches Blatt, eineinhalb Jahrhunderte sogar führend auf dem österreichischen Zeitungsmarkt, immer bestrebt, die Zeitereignisse wahrheitsgemäß und objektiv darzustellen. Obwohl die Zeitung bis 1848 wegen der Zensur und ab 1812 wegen ihrer Regierungsamtlichkeit nie eine eigenständige politische Position herausbilden konnte, entwickelte sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine beachtliche Kultur- und Wissenschaftsberichterstattung.

Die Frage liegt nahe, warum der Name „Wiennerisches Diarium“, in „Wiener Zeitung“ und nicht etwa in „Österreichische Zeitung“ umgewandelt wurde, zumal es sich um das Organ handelte, dessen offizieller Charakter für das ganze Reichsgebiet zuständig war. Grund war, dass Wien der Mittelpunkt des Reiches war und nicht die einzelnen Länder. Diese zentrale Stellung der Stadt als Sitz des Kaisers wurde so im Titel „seiner“ Zeitung manifestiert. Durch die Betonung Wiens im Zeitungskopf sollte von Anfang an die Tatsache unterstrichen werden, dass das Organ dem Wiener Hof nahe stand und sein Inhalt daher offiziellen bzw. offiziösen Charakter beanspruchte.

Die „Wiener Zeitung“ gilt als die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Ursprünglich ein Privatunternehmen, wurde sie 1812 ein offizielles Blatt der Regierung, seit 1857/58 auch vom Staat herausgegeben und in der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellt. Die Tageszeitung erscheint von Montag bis Freitag, nach Präsidentschafts-, Nationalrats-, Gemeinde- oder sonstigen Wahlen erscheinen Sonderveröffentlichungen.  Sie ist seit 1995 als „WZ Online“ verfügbar. Ein Redaktionsstatut sichert die redaktionelle Unabhängigkeit. 

Als amtliches Veröffentlichungsorgan der Republik Österreich enthält sie ein „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“, in dem unter anderem Stellen im öffentlichen Dienst ausgeschrieben oder Firmenbuchänderungen und Verlautbarungen der Landesregierungen, Gemeinde- und Bürgermeisterämter und sonstigen Vereinen bekannt gemacht werden.

Doch das republikeigene Blatt kommt immer mehr unter wirtschaftlichen Druck. So sollen etwa die Pflichtinserate von Unternehmen im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ abgeschafft werden. Sie machen den größten Teil der Einnahmen der Zeitung von rund 18 Millionen Euro jährlich aus. Mit der Umsetzung einer EU-Richtlinie sollen nun diese Pflichtinserate abgeschafft werden. Damit würde der Zeitung die Finanzierungsgrundlage entzogen, und die Fortführung der gedruckten Ausgabe wäre in Gefahr.

Österreichische Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler rufen die dortige Bundesregierung dazu auf, die „Wiener Zeitung“ zu retten und die Fortführung als Tageszeitung sicherzustellen. In ihrem Brief heben sie die Unabhängigkeit und die hervorragenden redaktionellen Leistungen der ältesten Tageszeitung der Welt hervor und fordern eindringlich politisches Handeln, um deren Weiterbestehen zu sichern.

„In Zeiten von Fake News und zunehmender Desinformation hat der Qualitätsjournalismus neue, unverzichtbare Bedeutung gewonnen. Gerade das Medium Zeitung liefert regelmäßig die notwendigen Basisinformationen über Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Tageszeitung ist ein Seismograf für gesellschaftliche Entwicklungen und bietet Orientierung im Alltag.“

Das inhaltliche Angebot der Redaktion wird regelmäßig ergänzt durch Essays und Kolumnen profilierter Autorinnen und Autoren. Damit diese wichtige Stimme Österreichs auch in Zukunft Gehör finden kann, fordern die Experten die verantwortlichen Politiker auf, nach alternativen Konzepten für die Finanzierung der „Wiener Zeitung“ zu suchen und ihre Fortführung zu garantieren. Der österreichische Qualitätsjournalismus dürfe nicht seine wichtige Plattform verlieren. 
 
Quelle: www.philaseiten.de
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