Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 15.07.2022 18:02:53 Gelesen: 107200# 827@  
Liebe Freunde,

bei meiner ausgeprägten Liebe für die Farbe Blau UND netten, bayerischen Telegrammen konnte ich mich hier nicht mehr zurück halten und habe zugeschlagen: Die 23. P(rivate) D(epesche) der Kgl. Bayerischen Telegraphen-Station in - das hat man vergessen auszufüllen - an H(errn) Baron v(on) Crailsheim in Amerang. Auch vom Datum lesen wir hier nichts, aber da die ausgewiesene "Botengebühr 2 fl. 18 Xr" = 2 Gulden und 18 Kreuzer (!!) betrug, lag der Zustellversuch noch in der Kreuzerzeit.



Siegelseitig sehen wir die "Rechnung", die man dort aufmachte:

"1 Gulden

1 Gulden 45 Kreuzer

18 Kreuzer

------------------

Porto 3 Gulden 3 Kreuzer

Telegraph. 2 Gulden

------------------

5 Gulden 3 Kreuzer

Seife 1 (??)"

Das letzte Wort kann ich nicht lesen, wurde wohl auch korrigiert, aber wie dem auch sei, man erkennt, dass Telegramme eine teure Sache waren, deren Existenz sich dem gemeinen Volk üblicherweise entzog.

Das Schloß in Amerang und Grundbesitz gehörte ab 1821 den Freiherren (Baronen) von Crailsheim, hier wohl Friedrich Krafft von Crailsheim, immerhin bayer. Außenminister und Vorsitzender des Ministerrats, also wahrlich keine kleine Nummer, damals aber wohl noch Legationsrat (auch nicht übel).

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Krafft_von_Crailsheim

Amerang erhielt im August 1861 eine Postablage und gehörte zur Postexpedition Endorf (heute: Bad Endorf). Erst am 1.8.1872 wurde eine Postexpedition in Amerang geschaffen, weswegen ich den Brief auf 1870/71/72 datiere.

Wenn man bedenkt, dass von der PE Endorf der Weg für den Telegraphenboten ca. 15,5 km einfach weit war, kann man ermessen, dass die notierten 2 Gulden 18 Kreuzer doch in einer gewissen Relation standen, denn für 31 Kilometer konnte man, je nach Witterung, auch mal einen ganzen Tag brauchen, zumindest einen halben auf alle Fälle.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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