Thema: Tipps zum Aufbau einer Ausstellungsammlung
bayern klassisch Am: 15.07.2022 23:48:37 Gelesen: 7264# 20@  
@ Frankenjogger [#18]

Hallo Klemens,

als alter Aussteller (mit gut einem halben Dutzend Sammlungen im Rang 2 und 1) würde ich die Frage nach dem Aufwand und ob sich dieser lohnt, gar nicht stellen.

Der primäre Sinn, den ich als Aussteller bei mir und anderen Ausstellern gesehen habe und auch weiterhin sehe, ist der, dass man selbst ein besserer Sammler wird und man daher auch besser sammelt.

Die Ebenen, auf denen das zutrifft, sind vielfältig.

1. Die allermeisten Sammler wissen schlicht gar nicht (und ich nehme mich da nicht aus), was sie alles haben, und, fast noch wichtiger, was sie alles nicht haben, aber haben sollten, wenn sie ausstellen möchten. Erst wenn man sondiert, welches Material man besitzt und wie dieses in Einklang zu einem sinnvollen Sammlungsaufbau zu bringen ist, wird man feststellen, dass man tolle Stücke 2, 3 oder gar 4 mal hat, andere, eher schlichtere Stücke, aber gänzlich fehlen.
In Folge dessen gilt es, wenn die Ressourcen nicht unbegrenzt sind, die entbehrlichen Stücke zu veräußern und die fehlenden Marken oder Briefe zu erwerben. Dadurch wird die Struktur der Sammlung deutlich verbessert und das Fundament verbreitert.

2. Hat man dann das benötigte Material beieinander, muss man sich Gedanken machen, was man wie aufziehen und beschreiben will. Dabei stellt man dann fest, dass sein fachliches Wissen in Worte zu gießen, die andere auch verstehen, gar nicht so einfach ist, wie überhaupt gute Beschreibungen (semantisch, orthographisch, interpunktionell, fachlich und faktenbasierend) einen auch sehr guten Sammler ziemlich fordern. Da kann man nicht mal einfach so aus der Lameng ein, zwei Dutzend Seiten hinklatschen, sondern oft muss man froh sein, überhaupt 2 oder 3 Seiten an einem halben Tag hinzubekommen, die eigenen Ansprüchen genügen.

3. Hat man dann auch diese Fleißklippe umschifft, mehr oder weniger souverän, dann zeigt man am besten großen, erfahrenen und vor allem ehrlichen Sammlern sein angedachtes Exponat und bittet diese um ihre offene und ehrliche Meinung. Dabei wird man erstaunt sein, welche (Anfänger-)Fehler man gemacht hat - oft auf allen Ebenen. Das aber ist ein Charaktertest - akzeptiert man gut vorgetragene Argumente erfahrener Sammler und Aussteller, stellt man seine Sammlung um; ist das Ego zu groß, schert man sich nicht darum und macht einfach nur weiter so - oft lässt der Erfolg dann aber auf sich warten, immer dieselben Kritikpunkte schlagen in die gleiche Kerbe und am Ende knickt man ein und fügt sich besserem Wissen, oder man schmeißt hin und will vom Ausstellen nichts mehr wissen. Ich rate nie zum Ausstieg.

4. Wenn man ausstellt, egal ob mit, oder ohne großen Erfolg, kommt man immer ins Gespräch mit Anderen und tauscht sich automatisch aus; ein Vorgang, der nicht grundsätzlich nur Ausstellern vorbehalten ist, aber im wahren Leben ist es halt oft so, dass sich Aussteller untereinander anders begegnen, als wenn irgendein Phila-Tourist an den Ausstellungsrahmen vorbei schlendert und alles oberflächlich bleibt.

Auch der Umgang mit guten Juroren ist wertvoll und weiterführend und kann letztlich dafür sorgen, dass man engagierter an die Sache geht und seine Sammlung gleich auf mehreren Ebenen optimiert, was i. d. R. dann auch die entsprechenden Ausstellererfolge nach sich zieht.

Kommen diese Erfolge, wird man selbst viel mehr anerkannt, wird das eigene Urteil viel mehr gehört und man wird wichtiger in den involvierten Sammlerkreisen und manchmal muss man erst in diese großen Schuhe hinein wachsen, die einem andere hinstellen, nur weil man eine gute Sammlung hat. Aber das klappt, meistens jedenfalls.

5. Für mich nie ein Argument, aber ich kenne viele, die es anders sehen ... Gute Ausstellungsbewertungen machen die Sammlung wertvoller, prominenter, begehrlicher bei anderen Sammlern und der pekuniäre Anstieg (die Aktie des kleinen Mannes) kann, je nach Sammelgebiet, schon sehr ordentlich sein. Ein Auktionshaus kauft halt lieber eine erstklassige Ausstellungssammlung eines bekannten Sammlers und Autors, die Groß-Gold bei einer Weltausstellung erhalten hat, als genau die gleiche Sammlung eines unbekannten Sammlers aus dem Hinterstübchen, den keiner kennt und keiner einschätzen kann. Man kauft am Markt gerne geprüfte Sicherheit, da weiß man dann, was man hat. Dieser Ruhm, der guten/großen Sammlungen voran schreitet, kann durchaus 10, 20 oder gar noch mehr Prozentpunkte an Werterhöhung mit sich bringen, wenn eine Trennung anstehen sollte oder muss.

Letztlich können wir nur in Form guter Ausstellungssammlungen, guter Beiträge in Foren wie hier, guten Fachartikeln in Fachzeitschriften/ARGE-Rundbriefen und Hilfestellungen bei Anfängern unser Hobby langfristig auf eine solide Basis stellen. Voraussetzung ist immer Aktivität, kein im Sessel ruhen, Beschäftigung mit der Materie, keine Kataloghörigkeit und ein offenes (und hoffentlich gewinnendes) Wesen, auch als guter Charakter bekannt. Hat man das, hat man fast schon gewonnen - der Rest kommt von selbst.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Quelle: www.philaseiten.de
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