Thema: Tipps zum Aufbau einer Ausstellungsammlung
bayern klassisch Am: 16.07.2022 16:00:24 Gelesen: 7083# 26@  
@ Frankenjogger [#22]

Hallo Klemens,

erst einmal Danke, dass du meinen Schreiberguss gelesen hast, aber bei Herzensdingen machen mir kurze Stellungnahmen Probleme.

Jetzt zu dir, deiner Sammlung und deinen berechtigten Fragen:

Du schreibst: "fachliches Wissen in Worte zu gießen, die andere auch verstehen"

Das ist ganz wichtig und richtig. Nur hat man dazu auch den Platz? Mir wurde mein beschreibender Text in meinem Exponat vom Juror als "zu viel" angemerkt. Aber es braucht auch schon einen gewissen Umfang an Text, um ein entsprechendes Kapitel zu beschreiben.

Wer nichts weiß, kann auch nichts zu seinen Stücken schreiben. Wer viel weiß, kann viel schreiben. Lege ich wert auf eine Show-Sammlung, dann viele Belege zeigen und wenig schreiben. Lege ich wert auf eine fachlich fundierte Beschreibung und mag ich eine enzyklopädische Wissensvermittlung an den Betrachter, schreibe ich so viel, wie ich denke, dass es sinnvoll ist. In dubio zeige ich nur einen komplexen Brief pro Seite, oder alternativ 2 simpel zu beschreibende Briefe. Simple Geister/Juroren mögen wenig Text, niveauvolle Juroren lesen und lernen gern. Insofern spiegelt die Punktevergabe auch das Niveau des Jurierenden wider.

Mein zweites Problem ist auch der Platz auf den Blättern. Ich habe in meinem Sammelgebiet meist Briefe im C6-Format, da passen eigentlich normalerweise 2 Briefe auf ein Blatt. Wenn man jedoch die Empfehlung berücksichtigt, die beschreibenden Texte nicht mit zu kleinen Buchstaben zu schreiben, also so, dass sie für den Betrachter auch einigermaßen gut zu lesen sind, dann kann das schon manchmal eng werden.

Siehe Antwort von mir zuvor.

Dann noch die Frage zur Beschreibung des Offensichtlichen (ich meine Stempelort, -datum und Zielort z.B., wenn das gut lesbar zu sehen ist). Soll man das mit in die Beschreibung nehmen, oder soll man nicht? Ich habe schon beide Meinungen gehört, und dann ist man verunsichert.

Ich würde immer die "hard facts" beschreiben: Aufgabeort, Datum, Laufweg, Zielort, Abgabedatum, Postvertrag, Taxen usw.. Selbstverständlich könnte man das u. U. auch aus dem Brief "herauslesen" - aber das halte ich für unhöflich, weil es sehr anstrengend ist, einen u. U. komplexen Brief zu verstehen, den man sich erst noch selbst datenmässig erarbeiten muss. Da schwingt eine Überforderung des Betrachters und auch Jurors mit, die ich nicht riskieren würde. Die Beschreibung ist immer Sache des Ausstellers - delegieren sollte er das nicht. Letztlich sind gute Sammlungen wie ein Buch - lesen, schauen, nachvollziehen, was geschrieben steht und dadurch weitere, möglichst tiefe Einblicke in das Gezeigte bekommen, das sollte schon das Ziel sein.

Ich bin für Kritik offen, weil nur die Meinung anderer auch die eigenen Scheuklappen wieder öffnen können. Nur auch hier ist es wieder schwer, wenn man von Juroren genau entgegengesetzte Meinungen bzw. Kritikpunkte hört. Ich wurde bei meiner ersten Ausstellung für eine Seite in meinem Exponat besonders vom Juror gelobt, "es würde das Themenspektrum weitsichtiger darstellen". Bei der zweiten Ausstellung meinte der Juror zur selben Seite: "So etwas gehört nicht in eine Ausstellungssammlung".

Das ist allein deine Sache - mache, was dir gefällt und für dich logisch ist. Wenn du anfängst, es allen recht machen zu wollen, wird nichts dabei heraus kommen, weder Fisch, noch Fleisch.

"Gute Ausstellungsbewertungen machen die Sammlung wertvoller"

Das mag sicher ein Argument sein, aber bei der derzeitigen Entwicklung des Interesses für die Philatelie mache ich mir da keine großen Hoffnungen. Wenn es bei mir soweit ist, das kann noch 20-25 Jahre dauern, stellt sich die Frage, wer sich dann noch für Philatelie interessiert. Ich investiere trotzdem noch, weil es mir Spaß macht und für mich eine geistig und kulturelle Weiterentwicklung bringt.

Man lebt nur ein Mal - alles andere ist unbeweisbare Theorie. Wenn dir Sammeln Spaß macht, mache es so, wie es dir am meisten Spaß macht. Vergiß das Geld, Philatelie ist zu 99% kein (gutes) Investment. Je mehr der Geldfaktor beim Aufbau einer Sammlung wichtig wird, je weniger Herzblut steckt in der Sammlung und je weniger Erfüllung wird der Sammler bekommen. Wenn Geld zu verdienen mehr Freude bereitet, als Sammeln und Forschen, dann muss man sich das ganz klar machen. Wenn man die Philatelie liebt, sollte man gut sammeln, gerne auch ausstellen und sich über sein Werk freuen. Viel Geld kann für viel Freude sorgen - der direkte Weg wäre aber der, viel Freude durch eine tolle Sammlung direkt einheimsen zu können - Geld ist nur der Mittel zum Zweck, nie der Zweck.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe das mit dem Geld in meinem 1. Beitrag nur geschrieben, weil ich weiß, dass ein gerüttelt Anteil von Sammlern auch immer darauf schaut - und das dürfen sie auch. Aber das Hauptziel ist es halt nicht und sollte es auch nie werden.


Liebe Grüsse,
Ralph (leider in Ulm nicht am Start, weil fast gleichzeitig meine ARGE Bayern klassisch ihre JHV in der Südpfalz abhält und ich dort lange schon angemeldet war und einen Kurzvortrag halten werde - aber 2023 hoffe ich, in Ulm aufschlagen zu können)
 
Quelle: www.philaseiten.de
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