Thema: Erarbeitung einer Strategie zur Zukunft der Philaseiten in den nächsten 20 Jahren
drmoeller_neuss Am: 20.09.2022 21:28:38 Gelesen: 24654# 182@  
Richard hat in einem Punkt auf die Mitglieder gehört und die erste heilige Kuh geschlachtet: dass die Philaseiten anzeigenfrei bleiben sollen. Die vorgeschlagenen Anzeigenpreise richten sich eher an die großen Auktionshäuser. Der große Vorteil ist, dass der Berufshandel hier die Philaseiten unterstützen kann und eine abzugsfähige Rechnung erhält. Bei einer Spende über einen nicht gemeinnützigen Verein wäre das viel schwieriger.

Nun zu der nächsten heiligen Kuh. Es ist eigentlich eine ganze Rinderherde. Die Software. Bei der Gründung der Philaseiten war es sinnvoll, auf das vorhandene Börsenforum mit selbstgestrickter Software aufzubauen. Nun sind 15 Jahre vergangen, und auf dem Markt gibt es inzwischen eine Auswahl vernünftiger Software für Diskussionsforen. Die Vorteile von kommerzieller Software sind zur Genüge durchgekaut worden, ich brauche es nicht zu wiederholen. Datenbankanwendungen für Bilderverwaltung im Internet kann man von der Stange einkaufen. Der Software ist es egal, ob auf den Photos Stempelabdrücke oder Sonnenuntergänge in der Südsee abgebildet sind . Dafür gibt es eine Standardarchitektur und Standardsprachen, PHP und mySQL.

Das Datenmodell und die gewünschten Abfragen müssen vor der Programmierung im Pflichten- und Lastenheft definert werden. Das ist eine Grundweisheit der SW-Entwicklung, dass Änderungen immer teurer werden, je später sie im Projekt eingeführt werden. Für jedes Feature sollte der Aufwand abgeschätzt werden. Das ein oder andere Feature fällt in dieser Phase bereits hinten herunter, da der Nutzen nicht im Verhältnis zu den Kosten steht.
Das kennt man von der Planung des eigenen Hauses her: auf dem Plan lässt sich die Badewanne noch einfach verschieben. Wenn der Estrich erst einmal hart ist, wird es schwierig und kostspielig, zumal die Rohranschlüsse dann an der falschen Stelle liegen.

Wie man da auf einen sechsstelligen Betrag für die Software kommt, ist mir schleierhaft (ich habe selbst in der Firma eine Datenbank für die Prototypenverwaltung in Perl geschrieben, dafür wurden mir in der Summe etwa eine Arbeitswoche zugestanden). Wie gesagt, Softwareentwicklung steht und fällt mit der Anforderungs-Spezifikation und der Planung. Sonst wird daraus ein Fass ohne Boden.

Etwas aus dem Standard-Rahmen fällt die Philaseiten-Auktion. Hier vertrete ich den Ansatz, dass die Nutzer für die Kosten aufkommen müssen. Die Philaseiten und Richard müssen sich daran ja nicht gesundstossen, aber es ist nicht einzusehen, warum jemand hier aus der privaten Tasche zuschiessen soll, damit andere mit Briefmarken Einnahmen erzielen können. Bei einem jährlichen Umsatz von 60.000 EUR auf der Philaseiten-Auktion dürfen die anteiligen Betriebskosten pro Jahr nicht mehr als 3000 EUR betragen, damit die Philaseiten gegenüber anderen Plattformen konkurrenzfähig bleiben können. Im übrigen ist die Dankbarkeit für das kostenlose Angebot gering: viele Anbieter und Verkäufer treten nicht als Autoren auf den Philaseiten in Erscheinung. Fazit: wenn die Philaseiten-Auktion eine schwarze Null schreiben kann, sollte man sie weiterführen. Wenn langfristig nur Verluste auflaufen, und die Benutzer nicht bereit sind, sich an den Kosten zu beteiligen, muss man sich von der Philaseiten-Auktion trennen.

Die Vollzeitstelle für die Moderation ist auf den ersten Blick erst einmal reiner Luxus. In vielen mittelständischen Betrieben steht die Ehefrau auf der Gehaltsliste, obwohl mit spitzem kaufmännischen Bleistift eine Vollzeitstelle gar nicht gerechtfertigt wäre. Da Richard bereit ist, diesen Ausgabeposten weiterhin aus privaten Mitteln zu bestreiten, sollten wir uns hier nicht weiter auslassen. Natürlich kann man wie viele andere erfolgreiche Foren auch mit einem ehrenamtlichen Moderatorenteam arbeiten.

Zur Einnahmenseite: Ich schätze für die Philaseiten mögliche Einkünfte in Höhe von 15.000 EUR, etwa zwei Drittel von den Mitgliedern und ein Drittel aus Werbung. Damit gehören die Philaseiten zu den Großen in der deutschen Philatelie, nur wenige Arbeitsgemeinschaften und Landesverbände haben höhere Einnahmen. Darauf kann Richard stolz sein, wenn er das erreichen kann.

Die Möglichkeiten der Finanzierung sind schon diskutiert worden: freiwillige Spenden, regelmäßige Vereinsbeiträge oder das von Richard favorisierte völlig kommerzielle Modell mit "Zuckerbrot und Peitsche". Aber hier fängt die Quadratur des Kreises schon an: die reinen Trittbrettfahrer kommen weiterhin ungeschoren davon. Sie können weiter alles lesen, der Verzug von einer Woche bei neuen Artikeln trifft nicht besonders hart, und schreiben überlässt man sowieso den anderen, die dafür noch zahlen sollen. Die Vielschreiber sollen von der Zahlungspflicht ausgenommen werden, aus welcher Schicht sollen dann die zahlenden Abonnenten kommen? Und der ein oder andere Spender wird sich fragen, warum soll ich für ein kommerzielles Projekt noch spenden? Die "Wenigschreiber" sollten nicht unterschätzt werden. Von ihnen kommen viele gute Artikel, über die sich andere Foren in Deutschland auch freuen würden.

Die Fahnenstange dürfte mit 100 zahlungswilligen Benutzern erreicht sein. Milchbauern wissen, dass die Kuh am meisten Milch gibt, wenn die Kuh selbst entscheiden kann, wann sie in den Stall geht. Freiwillige Spenden haben natürlich den Nachteil, dass ihr Aufkommen nicht planbar ist. Da scheint mir ein Verein mit festen Mitgliedsbeiträgen ein gangbarer Kompromiss zwischen Planungssicherheit und Freiwilligkeit. Freiwillige Zahler sind motiviert und von der Sache überzeugt. "Zuckerbrot und Peitsche" funktioniert im Wirtschaftsleben dort, wo man eine Gegenleistung bekommt. Das ist bei der Philaseiten-Auktion der Fall. Wer Beiträge schreibt, erbringt eine Leistung. Warum soll man dafür zahlen?

Mein einfacher Vorschlag: ein kleiner Beitrag für alle (10 bis 20 Euro pro Jahr) für das Lesen und Schreiben und den Rest über Spenden oder Beiträge über einen Förderverein. Oder man macht es kompliziert und ersinnt eine Tarifstruktur wie in einem Verkehrsverbund, angefangen mit der Kurzstrecke für maximal 3 Textzeilen à 80 Zeilen oder der 9-Uhr Tageskarte mit der Beiträge ab 9 Uhr einen Tag lang geschrieben werden können. Vielschreiber bekommen Bonuspunkte und Freifahrten, die aber nur in den schwach ausgelasteten Themen eingelöst werden können. Überspitzt dargestellt, aber eine solche Bürokratie treibt die Kosten hoch und schreckt selbst gutmütige Nutzer ab.

Wie Cantus festgestellt hat, ist die Abstimmung mit dem Füssen im vollen Gange. Wenige Kunden wie asmodeus lassen die Öffentlichkeit an ihrem Verschwinden teilhaben, die meisten verschwinden lautlos. Einen verlorenen Kunden zurückzugewinnen, ist zehnmal mehr aufwendig als einen Kunden zu halten.

Zu guter Letzt: Eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Foren und Verbänden ist kein leichtes Spiel, aber jemand muss den Anfang machen. Die aktiven Philatelisten sterben langsam alle weg. Wir können uns keine Silos und Feindschaften in der Philatelie mehr leisten.

Zu den den bisherigen Diskussionsbeiträgen: 60 Euro pro Jahr ist für die meisten keine grosse Summe. Ich kenne aber auch Sammler, für die das viel Geld ist, da sie sich jeden Cent am Mund absparen müssen. Es verbietet sich, solche Mitglieder der Polemik zu bezichtigen.

Die Argumentation von Ilves2020 [#180] ist nachvollziehbar. Es gibt unter den Sammler viele Spezialisten für die nur wenig Artikel relevant sind, und die daher nicht mehr bereit sind, weiter für das Gesamtprodukt zu bezahlen.

Leider ist Richards Vorgehen in dieser Hinsicht mehr als unglücklich. Warum rückt man mit den Informationen nur tröpfchenweise heraus und lässt darüber noch Spekulationen über "Freimitgliedschaften" und Diskussionen zu? Der Bäcker lässt seine Brötchenpreise nicht demokratisch abstimmen, genauso wenig wie der DJ die Musik in der Disko. Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Es gibt genügend deutschsprachige Briefmarkenforen, die kostenlos sind.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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